Arbeitsrecht:"Betroffene Frauen sollten unbedingt klagen"

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In vielen Firmen verdienen Frauen noch immer weniger, obwohl sie die gleiche Arbeit machen wie männliche Kollegen. (Foto: dpa)

Arbeitsrechtlerin Astrid Bendiks erklärt, wie sich Frauen verhalten sollten, wenn sie trotz gleicher Qualifikation weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.

Interview von Matthias Kohlmaier

Die ZDF-Reporterin Birte Meier fand zufällig heraus, dass sie brutto weniger Gehalt bekam als ein Kollege netto. Dagegen klagte sie vor dem Berliner Arbeitsgericht - jedoch wurde die Klage abgewiesen.

Astrid Bendiks ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und zudem Erste Vorsitzende des Business Professional Women Germany Club München (BPW). Der BWP ist Initiator des Equal Pay Day. Sie erklärt, was das Urteil bedeutet und wie sich von Lohnungleichheit Betroffene verhalten sollten.

SZ.de: Frau Bendiks, wie viele Frauen sind in letzter Zeit zu Ihnen gekommen, um sich zum Thema Lohnungleicheit beraten zu lassen?

Astrid Bendiks: Ganz ehrlich: Dieser Fall kommt nahezu nie vor. Nur wenige Frauen machen sich tatsächlich Gedanken darüber, ob, und wenn ja, warum sie weniger verdienen als ein an sich auf gleichem Niveau qualifizierter Kollege. Dass eine Arbeitnehmerin tatsächlich klagt, so wie nun im Fall der ZDF-Reporterin Birte Meier, kommt daher kaum vor.

Sie würden Betroffenen aber zur Klage raten?

Bendiks: Betroffene Frauen sollten unbedingt klagen, nur so kann sich langfristig etwas verändern. Aber bei den meisten Fällen ist es leider so, dass sie gar nicht an die Öffentlichkeit kommen. Da fragen Frauen vielleicht nach, warum sie weniger verdienen als der Kollege. Vorgesetzte ignorieren das aber zumeist oder vertrösten die Angestellte auf einen späteren Zeitpunkt - was dazu führt, dass sich viele Betroffene einfach einen neuen Job suchen, weil sie die weitere Konfrontation scheuen. So verändert sich gar nichts.

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Birte Meiers Klage wegen ungleicher Bezahlung von Männern und Frauen hatte wenig Aussicht auf Erfolg. Sie zeigt aber, wie rückständig die deutsche Rechtsprechung in dieser Frage ist.

Aus dem Gericht von Antonie Rietzschel

Was würden Sie Frauen - oder auch eventuell betroffenen Männern - raten, wenn sie feststellen, dass in ihrer Firma aufgrund des Geschlechts ungerechte Löhne gezahlt werden?

Wenn es einen Betriebsrat gibt, würde ich empfehlen, sich zuerst an den zu wenden. Eine der Aufgaben des Betriebsrats ist es, für Entgeltgleichheit zu sorgen. Gibt es keinen Betriebsrat, bleibt nur der direkte Weg zu dem oder der Vorgesetzten.

Wie sollten Betroffene in diesem Gespräch argumentieren?

Man muss klar darlegen, dass man die gleichen Qualifikationen und die gleiche Ausbildung hat wie der entsprechende Kollege. Und natürlich, dass man die gleiche Arbeitsleistung für die Firma erbringt. Dafür macht es Sinn, sich vorher Notizen, am besten über mehrere Wochen oder Monate, zu machen und genau zu formulieren, was man wann geleistet hat. Aber die meisten Vorgesetzten haben ein bestimmtes Budget und werden sich für die Argumente wenig interessieren.

Ist der nächste Schritt dann schon die Klage?

Reagiert der Vorgesetzte auf das Anliegen nicht, sollte man es noch mal schriftlich formulieren und ihm zum Beispiel per Mail zukommen lassen. Nur so lässt sich in einem eventuellen Prozess beweisen, dass er tatsächlich mit dem Sachverhalt konfrontiert wurde. Ändert sich auch dann nichts, müssten Betroffene ihren Auskunftsanspruch sowie eine mögliche Entschädigung einklagen.

Könnte in einem derartigen Prozess der Anspruch auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gestützt werden?

Bendiks: Ja, das ist richtig. Das Gesetz findet in der Praxis aber leider kaum Anwendung, da einfach sehr selten entsprechend geklagt wird. Daher ist es umso wichtiger, dass es hoffentlich bald ein Entgeltgleichheitsgesetz geben wird, das Arbeitnehmer besser schützt und Arbeitgeber zusätzlich für das Thema sensibilisiert.

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