Arbeitsministerium, Arbeitgeber und Gewerkschaften:Ein bisschen Einigkeit im Kampf gegen Job-Stress

Jeder zweite Beschäftigte arbeitet unter starkem Termin- und Leistungsdruck, die Zahl psychischer Beschwerden steigt. Lange wurden diese Diagnosen belächelt, nun stellen Arbeitsministerium, Arbeitgeber und Gewerkschaften fest: Es gibt Handlungsbedarf.

Von Sibylle Haas

Politik, Arbeitgeber und Gewerkschaften wollen zusammen gegen Stress in der Arbeit vorgehen. In einer gemeinsamen Erklärung verständigten sich das Bundesarbeitsministerium, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) auf einen verbesserten Schutz der Beschäftigten vor psychischen Belastungen. Sie wollen - unabhängig von ihren Positionen in Einzelfragen - dazu beitragen, psychischen Erkrankungen vorzubeugen und die erfolgreiche Wiedereingliederung von erkrankten Beschäftigten zu verbessern. Ziel ist es, Fehlzeiten und Frühverrentungen zu vermeiden.

Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz sind zunehmend ein Problem. Sie beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität, sondern mindern auch die Leistung der Betroffenen, heißt es in der Erklärung. Psychische Krankheiten verursachten etwa 13 Prozent der Krankheitstage und seien der häufigste Grund für Frühverrentungen. Das Statistische Bundesamt schätzt die Krankheitskosten auf knapp 29 Milliarden Euro im Jahr. "Die Ursachen für psychische Erkrankungen sind vielfältig. So können private Einflüsse ebenso dazu beitragen wie gesellschaftliche Entwicklungen und arbeitsbezogene Faktoren", heißt es jedoch einschränkend.

Allerdings arbeitet nach dem jüngsten Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland unter starkem Termin- und Leistungsdruck. 43 Prozent der Beschäftigten sind davon überzeugt, dass der Stress im Arbeitsalltag zugenommen hat.

Erklärung dokumentiert Differenzen

Die Vereinbarung sollte schon längst vorliegen. Doch sie wurde verschoben, weil die Arbeitgeber eine von den Gewerkschaften geforderte Anti-Stress-Verordnung ablehnten. Daran hat sich nichts geändert und die Differenzen stehen in der Erklärung: Der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich für eine "Anti-Stress-Verordnung" ein, um die Regelungslücke bei psychischer Belastung zu schließen. Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wird dieser Schutz aber durch das bestehende Recht bereits gewährleistet.

Das Bundesarbeitsministerium hält die rechtlichen Grundlagen für einen umfassenden Arbeitsschutz in Deutschland "grundsätzlich für ausreichend", heißt es weiter. Es wird jedoch prüfen, inwieweit es "im Lichte neuer Erkenntnisse Regelungsbedarf im Bereich arbeitsbedingter psychischer Belastung gibt".

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) betonte: "Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz bleibt für das Bundesarbeitsministerium Schwerpunktthema". Die gemeinsame Erklärung sei "ein großartiges Signal".

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bezeichnete die Erklärung als "Handlungsauftrag". Es sei ein Fortschritt, "dass die Arbeitgeber endlich anerkennen, dass psychische Erkrankungen keine Privatsache sind, sondern auch ganz wesentlich durch Missstände in der Arbeitswelt entstehen". Auch die Metallarbeitgeber begrüßten die Vereinbarung. Die steigende Zahl psychischer Krankheiten habe neben der verbesserten Diagnose durch die Medizin Ursachen im privaten, aber auch im beruflichen Umfeld.

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