Arbeitsmarkt:Mehr Jobs, weniger Sicherheit

Die klassische Vollzeitstelle gibt es immer seltener. Dafür boomen Minijobs und Zeitarbeit - und das Armutsrisiko wächst.

Nina Bovensiepen

Immer weniger Bürger verdienen ihr Geld in einem klassischen Vollzeitjob. Die Zahl der normalen Arbeitsverhältnisse ist in den vergangenen zehn Jahren um 1,53 Millionen gesunken. Neue Beschäftigungsformen wie Minijobs und Zeitarbeit nehmen dagegen stark zu. Die Gewerkschaften sprechen von einer gefährlichen Entwicklung.

Zeitarbeit, dpa

Auch Zeitarbeit zählt zu prekären Arbeitsverhältnissen: Sie zeichnen sich durch ein erhöhtes Armutsrisiko aus.

(Foto: Foto: dpa)

Immer mehr Menschen in Deutschland sind befristet beschäftigt, arbeiten in Teilzeit oder als Leiharbeiter. Die Zahl der "atypischen Beschäftigungsverhältnisse" sei zwischen 1997 und 2007 um 2,58 Millionen auf 7,68 Millionen gestiegen, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit.

Millionen Beschäftigte in Armut

Vor allem in Gastronomie und Handel sind immer weniger Menschen regulär angestellt - also in einem sozialversicherungspflichtigen und unbefristeten Job beschäftigt. Insgesamt arbeite inzwischen mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer in einer atypischen Beschäftigung, erklärten die Statistiker. Der Anteil der Menschen mit einem regulären Job sei von 82,5 Prozent 1997 auf 74,5 Prozent im vergangenen Jahr gesunken. Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) belegen die Zahlen, dass immer mehr Arbeitnehmer in "unsichere, schlecht bezahlte und perspektivlose Jobs gedrängt" werden. Sie zeigten außerdem, dass eine Politik nach dem Motto "sozial ist, was Arbeit schafft" Millionen Beschäftigte in die Armut treibe.

Der Boom der neuen Beschäftigungsformen ist auch das Ergebnis politischer Reformen wie der Hartz-Gesetze. Mit ihnen wurden etwa die Regeln für die Zeitarbeit gelockert und neue Anreize für Firmen geschaffen, Minijobber und Teilzeitkräfte einzustellen. Für die Arbeitnehmer bedeutet das meist weniger soziale Absicherung und niedrigere Verdienste.

Zwei Minijobs statt eine Vollzeitstelle

Das Statistische Bundesamt stellt in seiner Analyse dazu fest: "Im Gegensatz zur Normalarbeit, die in der Regel darauf ausgerichtet ist, den eigenen Lebensunterhalt und eventuell den von Angehörigen zu finanzieren, können die neuen oder atypischen Beschäftigungsformen diesen Anspruch nur bedingt erfüllen." Trotzdem seien Minijobs und ihresgleichen "nicht zwangsläufig mit prekärer Beschäftigung gleichzusetzen". Prekäre Arbeitsverhältnisse zeichnen sich durch ein erhöhtes Armutsrisiko aus.

Ob in den vergangenen Jahren reguläre Jobs weggefallen sind, weil Firmen beispielsweise eine Vollzeitstelle durch zwei Minijobs ersetzt haben, lasse sich aus den erhobenen Daten nicht direkt ableiten, schreiben die Statistiker. Die Tatsache, dass die Zahl der Arbeitsstunden mit 47,8 Milliarden Stunden nahezu konstant geblieben sei, spreche allerdings dafür, dass "das gleiche zeitliche Volumen an Arbeit auf mehr Köpfe umverteilt wurde."

Auf der nächsten Seite: Welche Bevölkerungsgruppen besonders auf die neuen Arbeitsformen angewiesen sind.

Mehr Jobs, weniger Sicherheit

Hoher Frauenanteil

Wie die Zahlen weiter deutlich machen, arbeiten in den niedrig entlohnten, befristeteten oder als Zeitarbeit vergebenen Jobs vor allem junge Menschen, Frauen, Geringqualifizierte und Ausländer. So betrug der Anteil der weiblichen Arbeitnehmer bei den atypischen Beschäftigungsformen 71 Prozent, während der Anteil der Männer bei 29 Prozent lag. Unter den regulär Beschäftigten finden sich dagegen nur 39,9 Prozent Frauen und 61,1 Prozent Männer.

In den verschiedenen Altersklassen fällt der mit fast 40 Prozent überdurchschnittlich große Anteil der 15- bis 25-Jährigen bei der atypischen Beschäftigung auf. Grund dafür sei "die starke Zunahme junger Arbeitnehmer in Zeitverträgen", heißt es in der Untersuchung. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte, es sei "bitter für den Nachwuchs, dass der Einstieg in das Berufsleben nicht nur schwer, sondern auch immer weniger planbar ist".

Vor allem Menschen, die über keinen oder nur einen niedrigen Berufsabschluss verfügen, sind zunehmend auf die neuen Arbeitsformen angewiesen. "Diese Unterschiede haben sich in den vergangenen zehn Jahren verstärkt", schreiben die Statistiker. Zudem benötigten die atypisch Beschäftigten häufiger als regulär Angestellte weitere Einkommensquellen neben der Arbeit.

So bestritten 99,1 Prozent der "normalen" Arbeitnehmer ihren Lebensunterhalt vorwiegend aus ihrem Verdienst. Unter den atypisch Beschäftigten waren es nur 70,1 Prozent. 18,2 Prozent nahmen Hilfe von Angehörigen in Anspruch, 7,3 Prozent bezogen Hartz-IV-Leistungen. Der DGB forderte die Regierung auf, den Betroffenen durch die Einführung von Mindestlöhnen zu helfen. Zudem müsse Missbrauch in der Zeitarbeit bekämpft werden.

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