Arbeitslose:Mit Gutscheinen zur Weiterbildung

Die Hartz-Reform verändert die Förderpraxis der Arbeitsämter. Private Bildungsträger fühlen sich bedroht.

Hans-Herbert Holzamer

(SZ vom 1.3.2003) In der Schule gibt es seit ewigen Zeiten Noten und Zeugnisse. Daran knüpfen sich Versetzung und Reife, wenn auch gestritten wird, ob damit Reife fürs Leben, für die Universität oder für den Arbeitsmarkt gemeint ist. Gerne würden viele, vor allem Verbände und Gewerkschaften, entsprechende Regularien in die Weiterbildung übernehmen, seit der Bundesrechnungshof rügte, dass Lehrinhalte und Unterrichtsmethoden nicht ausreichend geprüft würden, es kaum Kosten- und Erfolgskontrollen gäbe und der Wettbewerb zwischen den Anbietern "überwiegend ausgeschaltet" sei.

Auf der "Muwit 2003", einer Kongressmesse für Weiterbildung und Personalentwicklung in Berlin, wurde Ende Februar über ein neue Berufsbild für Trainer und Berater ebenso heftig diskutiert wie über Studien, die Deutschland einen Verbesserungsbedarf bescheinigten, und vor allem über ein Weiterbildungsgesetz.

Schulen und Institute, die angetreten sind, Erwachsene für neue Aufgaben zu qualifizieren, tun sich schwer mit Verbesserungsvorschlägen aus der Politik. Denn statt Versprechen müssen sie Beschäftigung bieten. Die privaten Institute müssen sich gegen die Übermacht von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände behaupten und die Arbeitsberater informieren und überzeugen, dass ihre Angebote förderungswürdig sind. Bei festen Regeln, etwa einer Zertifizierung der Schulen oder einer Zulassung von Trainern und Kursen, könnten sich die Arbeitsämter leichter tun. Doch wer danach ruft, hat oft eigene wirtschaftliche Interessen, die er nur kaschiert.

Der Weiterbildungsmarkt ist milliardenschwer, auch derjenige, der von der Bundesanstalt für Arbeit am Leben erhalten wird. Diese verfolgt seit Anfang des Jahres einen neuen Vergabekurs, auch ein Ergebnis der Hartz-Reform. Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen für eine Förderung erfüllen, erhalten einen Bildungsgutschein. Das Arbeitsamt kann ihn auf bestimmte Bildungsziele begrenzen. Er kann bei einem Bildungsträger eigener Wahl eingelöst werden. Frank Jelitto, Geschäftsführer des SSI-Instituts in München, lobt nach wenigen Wochen Erfahrung den Gutschein und seine Bildungsziele: "Sie stellen für die Kunden, das Arbeitsamt und die Bildungsträger eine nachvollziehbare Grundlage dar." Auch Wolfgang Dittmann, Ausbildungsleiter der Benedict-Schule München, erwartet "bei bestimmten Umschulungen höhere Teilnehmerzahlen als im Vorjahr".

Wie misst man Bildung?

Da die Entscheidung über die Förderung der Kurse weiterhin vom Arbeitsamt getroffen wird, dauert es aufgrund der Gesetzesänderung jetzt noch länger, bis die Bildungsinstitute eine verbindliche Antwort bekommen. "Das bewerten wir negativ", sagt Jelitto.

Künftig sollen Seminare nur noch gefördert werden, wenn anschließend 70 Prozent der Absolventen spätestens sechs Monate nach Seminar-Ende einen Arbeitsplatz gefunden haben. Wer will das prognostizieren, wer gar die Gewähr dafür geben? Hans-Peter Müller von der Interessengemeinschaft freier Bildungsträger in Ostdeutschland befürchtet das Zusammenbrechen des Bildungsmarktes. In der gesamten Bundesrepublik könnten 120.000 fest angestellte Mitarbeiter privater Anbieter ihren Job verlieren.

Der Bildungsgutschein wird von der Finanzmisere, die hinter neuen Qualitäts-Ansprüchen nur schlecht versteckt wird, fast erdrückt. Die wesentliche Änderung der Vergabe besteht in der Nichtgenehmigung oder in der Streichung von Kursen. Hinzu kommt, dass die Kursteilnehmer eine geringere Förderung bekommen. So erhalten Arbeitslose, die vor Beginn einer Weiterbildung Arbeitslosenhilfe bezogen haben, künftig Unterhaltsgeld, bei dem sich die Anrechnung von Einkommen oder Vermögen auf die Höhe auswirken kann. Seit Januar bekommen Absolventen beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen kein Anschlussunterhaltsgeld mehr. Und Zeiten, in denen Unterhaltsgeld während einer Weiterbildungsmaßnahme gezahlt wird, verkürzen künftig einen noch vorhandenen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Einen "Kahlschlag" befürchtet Peter Rother von der Deutschen Angestellten Akademie (DAA) in Hamburg wohl zu Recht. Im Jahre 2001 erhielten 450.000 Arbeitslose eine vom Arbeitsamt finanzierte Qualifikation, dafür flossen jährlich etwa sieben Milliarden Euro.

Das Arbeitsamt spart, zugleich aber stehen den Weiterbildungsinstituten zusätzliche Kosten ins Haus, wenn sie bald eine "neutrale Stelle", einen "Weiterbildungs-TÜV" bezahlen sollen. Die Hartz-Reform sieht vor, dass die Bildungsträger und die einzelnen Kurse von einer "fachkundigen, externen Stelle" begutachtet und zugelassen werden müssen. 30.000 Bildungsträger und Kurse zu Hunderttausenden werden Zertifizierungs-Kosten in gigantischen Größenordnungen und neue Bürokratien auslösen.

"Die Qualität eines Bildungsträgers zu messen, ist und bleibt nicht einfach", meint Jelitto. Sonst gäbe es bei der Bundesanstalt schon längst entsprechende Regelungen. "Die Qualität der fachlichen und persönlichen Entwicklung unserer Kunden, unser zentraler innerer Maßstab, ist schwer zu messen." Formal messbare Standards, Qualifikation der Lehrkräfte, Technik und Schulräume würden von SSI, das vor allem im Tourismusbereich qualifiziert, ohnehin erfüllt. "Alle gängigen Zertifizierungen", so Jelitto, "beziehen sich auf die Prozesse, nicht auf die Ergebnisse - und sind, drastisch gesagt, Makulatur."

Worauf er und mit ihm viele privaten Anbieter setzen, ist eine verbesserte Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt. Dieses konnte bislang selbst die vorgeschlagenen Bildungsmaßnahmen genehmigen, was oft dazu führte, dass neue Bildungsträger keine Chance hatten, weil Beziehungsgeflechte dies verhinderten.

Wettbewerb ist erlaubt

"Man sollte verstärkt die Unternehmen, das Arbeitsamt und die Bildungsträger zusammenbringen", schlägt Wolf-Dieter Pfaelzer, Vorstandsvorsitzender der Wirtschaftsschulen Sabel, vor. So könnten zielgerichtete Maßnahmen angeboten und eine Kombination zwischen Ausbildung beim Bildungsträger und Trainee-Maßnahmen bei den Unternehmen durchgeführt werden.

Begrüßen würde es Jelitto, wenn die Vergabe transparenter würde. Damit will er nicht das Arbeitsamt München kritisieren. Andere Ämter ließen in dirigistischer Weise pro Kurs nur einen Bildungsträger zu. München erlaube ein "hohes Maß an Wettbewerb zwischen einzelnen Bildungsträgern" und sei bemüht, "durch Konkurrenz die Qualität zu forcieren".

Wichtig sei, so Benedict- Ausbildungsleiter Dittmann, der "individuelle Kontakt zu Abteilungen beziehungsweise Beratern" im Arbeitsamt. Durch schnellen und detaillierten Informationsaustausch werde eine hohe Effizienz gesichert. Wenn die Inhaber der Bildungsgutscheine diese tatsächlich zu einer Abstimmung für die Privaten nutzen, könnten deren Bemühungen über die geplanten Regularien triumphieren.

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