Arbeitsamt:Behörde ohne Bürokratie

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Quereinsteiger aus verschiedenen Branchen sollen in den Arbeitsämtern effektiver Jobs vermitteln.

Doris Näger

(SZ vom 29.12.2001) Eigentlich drückt Barbara Seidens Geste schon das meiste aus: Sie reckt ihre Hände wie klammernde Kraken und dreht sie aufeinander zu, als wollten sie sich ineinander verhaken. Die eine Hand, das sind die Wünsche der Arbeitgeber, die andere, das sind die Angebote der Arbeitnehmer. Und die, sagt Seiden, sollen künftig besser ineinander greifen. Eines aber kann ihre Geste nicht ausdrücken: Dass diese Verschränkung nicht so einfach ist wie bei zwei Händen.

Vermittlungsoffensive

Barbara Seiden ist eine von bundesweit 1000 neuen Vermittlern, mit denen das Arbeitsamt am 1. Januar eine Vermittlungsoffensive startet. Unabhängig vom Job-Aqtiv-Gesetz, aber ebenfalls als Ergebnis des Bündnisses für Arbeit soll mit ihrer Hilfe die Arbeitslosenzahl gesenkt werden.

Neben den 1000 Neueinsteigern werden - zusätzlich zu den 8300 bisherigen Vermittlern - 1000 Arbeitsamt-Mitarbeiter aus anderen Abteilungen für diese Aufgabe abgestellt. Weitere 1000 Vermittler aus externen Bildungseinrichtungen kommen dazu.

Bislang verhinderte die hohe Zahl von Arbeitslosen, die ein Vermittler betreuen musste, schnelles Handeln. Verkrustete und formalisierte Strukturen und oft auch Unkenntnis der Bedürfnisse sowohl der einen als auch der anderen Seite standen effektiven Lösungen entgegen.

Nun werden fünfköpfige Projekt-Teams aus erfahrenen und neu eingestellten Vermittlern gebildet, die sich Aufgaben-Schwerpunkten widmen: Stellenbörsen, bei denen sich Arbeitgeber direkt mit Arbeitnehmern unterhalten können, Trainings für spezielle Bedürfnisse wie Bewerbungsschreiben, Veranstaltungen für bestimmte Arbeitslosengruppen wie ältere Menschen oder allein erziehende Mütter, Gespräche mit Arbeitgebern, die Massen-Entlassungen planen, Insolvenz angemeldet haben oder einen Betrieb in der Region ansiedeln wollen.

Stärken- und Schwächen-Analysen

Mit den Gruppenveranstaltungen soll Zeit gewonnen werden für die individuellen Gespräche, für Stärken- und Schwächen-Analyse, für die Beratung bei persönlichen Problemen wie beispielsweise Sucht. Die Vermittler in den Projekt-Teams sind vom Alltagsgeschäft im Arbeitsamt befreit und können sich um ihre Kunden intensiv kümmern, können sie vom Tag der Kündigung an begleiten und ihnen auch dann noch helfen, wenn sie eine neue Beschäftigung gefunden haben.

Der Service für die Arbeitgeber besteht aus ebenso intensiver Beratung. "Wir müssen das Rad nicht neu erfinden", sagt Seiden, "sondern oft nur auf die richtigen Instrumentarien wie betriebliche Trainingsmaßnahmen oder Kurzarbeit hinweisen".

Quereinsteiger in den Ämtern

Damit die Arbeit der Vermittler von neuen Impulsen profitiert, hat sich die Bundesanstalt bewusst Quereinsteiger in die Ämter geholt: Wirtschaftsingenieure, Speditionskaufleute, Psychologen, Selbstständige, Redakteure. Sie waren nicht auf der Fachhochschule des Arbeitsamts in Mannheim, gingen nicht durch die Behördenmühle.

Seiden hat vor ihrem neuen Job Unternehmen bei der Personalauswahl beraten und bei einer gemeinnützigen Zeitarbeitsfirma Fachkräfte vermittelt. Ihre künftige Kollegin Ursula Landeck, 50 Jahre alt, und zuletzt freiberufliche Journalistin, sagt, die neue Aufgabe sei von der alten gar nicht so weit entfernt: "In beiden Fällen geht es um Kommunikation." Klaus Pongracz kennt als Bauingenieur aus Dresden alle Stationen seiner Branche vom Maurer bis zum Unternehmensmanager. Weil er irgendwann alles gesehen hatte und es um den Bau nicht besonders rosig stand, entschloss er sich, ein Psychologie-Abendstudium nachzulegen. "Da kam die Initiative des Arbeitsamts gerade recht", sagt Pongracz. Er weiß aus eigener Erfahrung, dass Arbeitgeber oft Vorurteile gegenüber dem Arbeitsamt haben. "Inzwischen habe ich hinter die Kulissen geschaut und weiß, dass Arbeitslose nicht in der Regel faul sind."

Auch eine Frage des Image

Die neuen Vermittler haben seit dem 1. Oktober Gesprächsführung trainiert, Rollenspiele gespielt, das Leistungsrecht analysiert, die möglichen Maßnahmen des Arbeitsamts kennen gelernt und natürlich die Eigenheiten seines Computersystems studiert. Der Mannheimer Fachhochschulprofessor Franz Egle hat ihnen die neueste Methode der Selbstvermarktungsstrategie beigebracht. Und sie haben erfahren, wie man sich als Repräsentant einer Behörde gegen die Aggressionen wehrt, die einem entgegenschlagen können.

Ob es den neuen Vermittlern gelingen wird, die gespreizten Hände zu verschränken? Pongracz will den Arbeitgebern zeigen, dass ein Arbeitsamt auch professionell arbeiten kann, will ihnen nur "Leute schicken, die wirklich passen". Und Landeck sagt, man müsse "vom Image loskommen, dass man die Leute nur durchschleust". Die Anstellungszeit der neuen Vermittler ist begrenzt. Drei Jahre lang können sie zeigen, was sie können. "Dann werden wir an unserem Erfolg real gemessen werden", sagt Pongracz.

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