Arbeitnehmerrechte beim Urlaub:Ich bin dann mal weg

Berge, Wandern

Schöne Aussichten in 2013: Wer geschickt plant und Brückentage konsequent nutzt, kann mit dem minimalen Einsatz an Urlaubstagen ein Maximum an Freizeit herausholen.

(Foto: Andreas Haertle - Fotolia)

Darf der Chef einen Mitarbeiter von der Alm zurück an den Schreibtisch beordern? Wann verfallen freie Tage aus dem Vorjahr spätestens? Was Arbeitnehmer beim Urlaub beachten sollten - in einem Jahr, in dem alle bundesweiten Feiertage auf einen Wochentag fallen.

Von Catrin Gesellensetter

Die Deutschen sind in diesem Jahr so reiselustig wie selten. Eine repräsentative Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg hat ergeben: Mehr als jeder Vierte will 2013 mehr Urlaub machen als noch im Vorjahr. Die Rahmenbedingungen dafür waren auch selten besser. In diesem Jahr fallen alle bundesweiten Feiertage auf einen Wochentag. Wer geschickt plant und Brückentage konsequent nutzt, kann mit dem minimalen Einsatz an Urlaubstagen ein Maximum an Freizeit herausholen.

Das einzige Problem: Vor die ausgedehnten Ferien im sonnigen Süden oder den spontanen Kurztrip nach London hat der Gesetzgeber die komplexen Regelungen des Urlaubsrechts gestellt. Und die machen es reiselustigen Arbeitnehmern und auch deren Chefs nicht immer leicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie viele Urlaubstage steht Arbeitnehmern zu?

Der vorgeschriebene Mindesturlaub in Deutschland ist spärlicher bemessen, als weithin angenommen. Laut Bundesurlaubsgesetz können Beschäftigte bei einer Fünf-Tage-Woche lediglich 20 freie Tage pro Jahr beanspruchen. Bei einer Sechs-Tage Woche sind es 24 Tage. Die meisten Arbeitnehmer haben allerdings deutlich mehr freie Zeit zur Verfügung: Arbeits- oder Tarifverträge sehen in der Regel zwischen 27 und 30 freie Tage pro Kalenderjahr vor.

Darf der Chef vorschreiben, wer wann in den Urlaub gehen muss?

Jein. Arbeitgeber sollen zwar versuchen, die Urlaubswünsche ihrer Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Gerade zu besonders begehrten Terminen - etwa an Brückentagen oder während der Schulferien - können aber nicht alle zum Zug kommen, die wollen. Dann muss der Chef ein Machtwort sprechen.

Nach dem Bundesurlaubsgesetz darf er sich über die Terminwünsche von einzelnen Mitarbeitern hinwegsetzen, "wenn die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen". Eine alleinerziehende Mutter mit schulpflichtigen Kindern wird mit ihren Urlaubswünschen zur Hauptferienzeit daher eher durchdringen als ihre kinderlosen Kollegen.

Kann ein Vorgesetzter bereits bewilligten Urlaub wieder streichen?

Normalerweise nicht - es sei denn, der Fortbestand des Unternehmens hängt davon ab, dass der besagte Kollege just zur geplanten Urlaubszeit seine Arbeit macht. Und das kommt eher selten vor. "Üblicherweise ist der Arbeitgeber an seine Genehmigung gebunden und kann den Urlaub nicht im Nachhinein wieder canceln", sagt Claudia Rid, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle in München.

Blind verlassen darf sich darauf aber niemand. "Ist unklar, ob der Urlaub ausnahmsweise zu Recht widerrufen wurde, sollten Arbeitnehmer diese Frage klären - wenn es brennt per einstweiliger Verfügung", sagt Rid. Der Grund: Wer sich eigenmächtig selbst beurlaubt, muss mit einer außerordentlichen Kündigung rechnen.

Und was ist zu tun, wenn der Vorgesetzte die Stornierung der Ferien nicht verlangt, sondern nur um Verschiebung des Urlaubs bittet?

In diesem Fall entscheiden oft strategische Überlegungen. Wer auf eine Karriere hofft, wird vermutlich in den sauren Apfel beißen und die schönste Zeit des Jahres auf einen anderen Termin legen. Finanzielle Einbußen müssen aber auch aufstrebende Führungskräfte nicht hinnehmen. Rechtsanwältin Rid: "Erklärt sich der Arbeitnehmer bereit, den einmal bewilligten Urlaub zu stornieren, hat er Anspruch auf Ersatz der ihm entstehenden Auslagen, wie etwa Stornogebühren, Reise- und Hotelkosten."

Wann darf ein Unternehmen seinen Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückholen?

Streng genommen überhaupt nicht. Selbst wenn der Arbeitsvertrag eine Klausel enthält, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, auf Anweisung seines Chefs den Urlaub abzubrechen, ist diese regelmäßig unwirksam (Bundesarbeitsgericht, Az.: 9 AZR 404/99). Eine zwangsweise vorzeitige Heimreise ist daher nur in Extremsituationen denkbar. "Es müsste schon ein absoluter Notfall vorliegen, um die Rückkehr zwingend erforderlich zu machen", erläutert Anwältin Claudia Rid. Dass die Urlaubsvertretung plötzlich erkrankt, sei dafür zum Beispiel nicht ausreichend. Zudem sei der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, seinen Urlaubsort mitzuteilen oder während der Ferien ständig erreichbar zu sein.

Und wenn es doch einmal zum Äußersten kommt? "Dann muss das Unternehmen die durch den Urlaubsabbruch entstehenden Kosten erstatten - inklusive etwaiger Mehraufwendungen, die beim Nachholen der Reise zu einem anderen Termin entstehen", sagt Rechtsanwältin Rid.

Muss der Chef der Belegschaft Urlaubsgeld bezahlen?

Einen gesetzlichen Anspruch auf die Extrazahlungen gibt es zwar nicht. Arbeitnehmer können aber immer dann Urlaubsgeld verlangen, wenn dies per Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder durch den eigenen Arbeitsvertrag vorgeschrieben ist.

Gleiches gilt, wenn das Unternehmen freiwillig in drei aufeinanderfolgenden Jahren Urlaubsgeld gezahlt und nicht darauf hingewiesen hat, dass aus dieser Praxis kein Anspruch für die Ewigkeit entstehen soll. In solchen Fällen einer "betrieblichen Übung" dürfen sich Arbeitnehmer darauf verlassen, auch in den Folgejahren Urlaubsgeld zu erhalten.

Wann verfallen nicht genommene Urlaubstage?

Wer seinen Jahresurlaub nicht spätestens in der Silvesternacht aufgebraucht hat, muss damit rechnen, dass ihm die überschüssigen Tage gestrichen werden. Nach der Rechtsprechung verfällt der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub mit Ablauf des Kalenderjahres. Etwas anderes gilt nur, wenn es dafür dringende betriebliche Gründe gibt - etwa weil das Unternehmen eine Urlaubssperre verhängt hat. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer wegen einer langen Krankheit seine freien Tage nicht abfeiern konnte. In beiden Konstellationen ist es ausnahmsweise erlaubt, den Anspruch ins neue Jahr hinüberzuretten.

Spätestens am 31. März des Folgejahres muss der Resturlaub aber dann abgefeiert sein - sonst ist er endgültig verloren. Einzige Ausnahme: Ist ein Arbeitnehmer während des gesamten Jahres krank, erlischt sein Urlaubsanspruch erst zum 31.März des übernächsten Jahres, also 15 Monate nach dem normalen Verfallsdatum. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Rs. C 350/06 und C 520/06). Beschäftigte, die ein ganzes Jahr krank waren und deshalb nicht in die Ferien fahren konnten, haben damit also Anspruch auf ihren regulären Jahresurlaub. Sie dürfen ihn in voller Höhe nachholen, sobald sie wieder gesund sind.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: