Arbeitnehmer über 50:Gefährliches Alter

Oft werden ältere Arbeitnehmer aufs Abstellgleis geschoben, weil sie weniger leistungsfähig seien. Wie falsch das Vorurteil ist, zeigt eine Umfrage.

Von Ingrid Brunner

Da mögen Personaler noch so sehr am Image vom faltenfreien, dynamischen Mitarbeiter hängen: Die demografische Entwicklung wird ihnen schon bald einen Strich durch die Rechnung machen.

Arbeitnehmer über 50: Vodafone-Manager Shiro Tsuda (links), Brian Clark: Ob sie auch für weniger Geld arbeiten würden?

Vodafone-Manager Shiro Tsuda (links), Brian Clark: Ob sie auch für weniger Geld arbeiten würden?

(Foto: Foto: AP)

Denn die Babyboomer, die geburtenstarken Jahrgänge von 1950 bis 1965, nähern sich dem gefährlichen Alter - gefährlich vor allem für den Verbleib im Job. Denn noch immer ist es gängige Praxis in deutschen Betrieben, Personen über 50 Jahren auf den Ruhestand vorzubereiten.

Nach einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung beschäftigt nur die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland Mitarbeiter über 50. Der Anteil der Über-50-Jährigen wird jedoch zwangsläufig von heute 23 Prozent auf 33 Prozent im Jahr 2015 wachsen, um den Mangel an jüngeren Kollegen zu kompensieren.

Genau darin aber sehen viele jugendfixierte Personaler ein Problem. Sie stellen älteren Mitarbeitern ein schlechtes Zeugnis aus. Eine Umfrage des Manager Magazins aus dem Jahr 2001 ergab, dass Personalverantwortliche älteren Managern lediglich hohe Kompetenz in den Bereichen Routinearbeit, Diplomatie, Souveränität, Ausgeglichenheit, Disziplin und Führungsqualifikation bescheinigen.

Hingegen trauen sie den Senioren viel geschätzte Eigenschaften wie Lernfähigkeit, Dynamik und Innovationskraft nur noch selten oder gar nicht mehr zu. Wie stark Selbst- und Fremdeinschätzung auseinander klaffen können, und was für Missverständnisse zwischen den betroffen Parteien dadurch entstehen, zeigt eine Umfrage unter Managern über 50 Jahren.

36 Prozent würden für weniger Geld arbeiten

Demnach würden rund 80 Prozent der Befragten für eine interessante Position einen Wohnungswechsel und deutlich längere Arbeitszeiten in Kauf nehmen, eine neue Sprache lernen und unter einem viel jüngeren Vorgesetzten arbeiten. 67 Prozent würden ins Ausland gehen, 59 eine Wochenendehe akzeptieren und immerhin 36 Prozent für weniger Geld arbeiten.

Wenn das nicht flexibel ist, was dann? Nur, man traut es den Oldies eben nicht mehr zu. Weil sie als wenig förderungswürdig gelten oder sich nicht angesprochen fühlen, nehmen Mitarbeiter über 45 Jahren kaum noch an Maßnahmen der Personalentwicklung teil.

Eine Untersuchung des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation ergab, dass im Jahr 2000 nur noch 18 Prozent der 50- bis 64-Jährigen an einer betrieblichen Weiterbildung teilnahmen, dagegen aber 31 Prozent der 19- bis 34- und 36 Prozent der 35- bis 49-Jährigen.

Zögerliches Umdenken

Begründeter sind da schon die Vorbehalte gegenüber älteren Mitarbeitern hinsichtlich überhöhter Lohnkosten, Fehlzeiten und Kündigungsschutz. Eine allein auf dem Senioritätsprinzip beruhende Gehaltsskala und hohe arbeitsrechtliche Schwellen bei der Entlassung veranlassen viele Betriebe, sich teurer Mitarbeiter beizeiten zu entledigen - um sie durch jüngere, billigere zu ersetzen, die man in wirtschaftlich schlechten Zeiten schneller wieder los wird.

Was aber sagt die Wissenschaft? Die Alternsforscherin und Ex-Ministerin Ursula Lehr stellt ein generelles Defizit-Modell des Alterns in Frage. Nicht das kalendarische Alter sei ausschlaggebend, sondern die Funktionsfähigkeit verschiedener körperlicher und seelisch-geistiger Fähigkeiten.

So unterscheidet die Gerontologie zwischen Bindegewebs-, Herz-Kreislauf-, Intelligenz-, sensorischem und motorischem Alter. Und die, so Lehr, seien keinesfalls an ein chronologisches Alter gebunden und je nach Lebensstil unter Gleichaltrigen sehr verschieden. Denn Altern sei stets das Ergebnis eines lebenslangen Prozesses. Oder: "Es kann ein Mensch nicht wie Goethe altern, wenn er nicht wie Goethe gelebt hat." Und der hat bekanntlich seine grauen Zellen nicht frühverrentet.

Umdenken findet in den Human-Resource-Abteilungen nur zögerlich statt. Einige Wagemutige plädieren immerhin für altersgemischte Teams. Unter dem Stichwort "Diversity" will man etwa bei der Lufthansa die Stärken und Schwächen von alten Hasen und jungen Heißspornen zu einer Win-Win-Situation kombinieren.

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