Arbeitgeber Polizei:So verändert sich der Job des Polizisten

Demonstrationen in Hannover

Die Reiterstaffel: eine von vielen Karriereoptionen bei der Polizei.

(Foto: dpa)

Von Reiterstaffel bis Erkennungsdienst - eine Ausbildung bei der Polizei eröffnet viele Wege. Neuerdings wird vor allem in einer Sparte Verstärkung gesucht.

Von Gunda Achterhold

Mit einem Essay zum Thema Überalterung hatte Maximilian Bahn definitiv nicht gerechnet. "Der Einstellungstest war ganz schön anspruchsvoll", sagt der angehende Kommissar. Er war verblüfft, wie ausführlich geschichtliches Wissen abgefragt und sein Logikverständnis überprüft wurde. Nach dem Abitur und einem Polizeipraktikum hatte sich der 22-Jährige für den gehobenen Dienst beworben und absolviert nun den dreijährigen Studiengang an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Fürstenfeldbruck.

Ausbildung und Einstellungsverfahren für den Dienst bei der Polizei sind von Bundesland zu Bundesland anders geregelt, in Bayern sind die Hürden besonders hoch: Der sogenannte LPA-Test wird mit der Abiturnote verrechnet, Mathe zählt dreimal. Auch die physischen Voraussetzungen sind nicht für jeden zu erfüllen. Bewerber mit einer Körpergröße unter 1,65 Zentimeter müssen mit außerordentlichen sportlichen Leistungen punkten, sonst wird es nichts mit der Laufbahn als Kommissar.

Wenn Maximilian Bahn die Hochschule verlässt, wird er erst einmal fünf Jahre lang auf Streife eingesetzt. Danach kann er sich entscheiden, ob er in einer gehobenen Position bei der Schutzpolizei bleiben will, zum Beispiel als Zugführer bei der Bereitschaftspolizei, oder ob er zur Kriminalpolizei geht. Zur Auswahl stehen mehr als 600 mögliche Funktionen im gehobenen und höheren Dienst.

"Als verdeckter Ermittler, bei der Reiterstaffel, in der Spurensicherung, als Entschärfer oder als technischer Beamter in einer Sondereinheit, als Ermittler bei der Kriminalpolizei oder im Erkennungsdienst - ich weiß gar nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll", sagt Petra Sandles, Vizepräsidentin des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA). Sie selbst hat viele Jahre als Expertin für Tötungsdelikte, Geiselnahme und Verbrechensbekämpfung gearbeitet, später war sie im Innenministerium. "Ich kenne keinen Beruf, in dem eine Ausbildung so vielfältige Möglichkeiten eröffnet", sagt die 56-Jährige. "Selbst ohne Abitur können es Polizisten bis in den höheren Dienst schaffen - sie müssen allerdings sehr, sehr gut sein."

Auch Quereinsteiger sind gefragt. Absolventen aus den Wirtschaftswissenschaften oder Informatikern ermöglicht die bayerische Polizei eine Sonderlaufbahn. Nach einer einjährigen polizeilichen Grundausbildung arbeiten sie als Experten mit Ermittlern zusammen und unterstützen sie als "Cybercops" oder in der Wirtschaftskriminalität. Der Bedarf wächst, alleine in Bayern werden nach und nach 70 neue Stellen für Informatiker ausgeschrieben. "Mit der Auswertung großer Datenmengen eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten", sagt Sandles. "Über die Analyse von Standortdaten kommen wir beispielsweise Einbrechern besser auf die Spur."

Zugleich verlagern sich kriminelle Aktivitäten zunehmend ins Netz. Cybercrime - hinter diesem Begriff verbergen sich eine Fülle unterschiedlichster Straftaten im Internet, von Manipulationen mit Schadsoftware über digitale Erpressung, Netzwerkattacken bis hin zum Waffenhandel oder der Verbreitung von Kinderpornografie. Das Team der Cyberkriminalisten beim Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden ist jung und gerade erst vergrößert worden.

"Nullachtfünfzehn-Situationen gibt es nicht"

"Wir haben es zum Teil mit ganz neuen Phänomenen zu tun, bei denen sich die Täter in rechtlichen Grauzonen bewegen", sagt ein 28-jähriger Kriminalkommissar, der sich tief in aktuelle Phänomene der Internetkriminalität einarbeitet. Beim BKA laufen alle Informationen aus den Bundesländern zusammen. Zu den Aufgaben der Kriminalisten gehört es, alle Daten zu sammeln, Lagebilder zu erstellen und das Gefahrenpotenzial zu bewerten. "Das ist Grundsatzarbeit, mit der wir wirklich etwas bewegen können", sagt er. "Wir werden von der Politik gehört, das finde ich sehr motivierend."

Cyberkriminalisten sollten eine gewisse technische Affinität mitbringen, sie müssen jedoch keine IT-Experten sein. Denn auch bei der Bekämpfung digitaler Verbrechen spielt die klassische Ermittlungsarbeit eine wichtige Rolle. "Festnahmen oder Durchsuchungen sind jedes Mal eine große Herausforderung", sagt einer der BKA-Cyberkriminalisten. "Es kann immer eskalieren, Nullachtfünfzehn-Situationen gibt es nicht." Trotzdem zählen Ermittlungen für ihn zu den spannendsten Aufgaben bei der Kriminalpolizei - wie für viele, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen.

Die überwiegende Mehrheit der Beamten landet jedoch in anderen Bereichen. Beim BKA arbeiten ungefähr 5500 Menschen, etwa die Hälfte von ihnen sind Kriminalkommissare. "Höchstens 300 sind tatsächlich als Ermittler unterwegs", sagt Marie Müller. Seit zwei Monaten arbeitet die junge Kriminalkommissarin als Sprecherin in der Pressestelle. Sie findet es wichtig, alle drei bis sechs Jahre zu wechseln. "Es gibt so viele Fachbereiche, von denen man noch nie gehört hat - und die häufig viel spannender sind, als man denkt."

Nach einem dreijährigen dualen Bachelor-Studiengang im Bundeskriminalamt und an der Hochschule des Bundes in Brühl wurde die 25-Jährige im "Internationalen Schriftverkehr" eingesetzt. "Das klingt für junge Beamte erst mal total uninteressant", sagt sie. "Dabei konnte ich den Informationsaustausch zwischen dem In- und Ausland nicht nur am Schreibtisch, sondern auch bei Auslandsaufenthalten in der Praxis erleben."

Und die Arbeitszeiten?

Ihr Kollege aus der Abteilung Operative Einsatz- und Ermittlungsunterstützung nickt. Er hätte sich auch nicht vorstellen können, dass er beim BKA mit Experten und Wissenschaftlern aus so vielen Fachrichtungen zusammenarbeiten würde. "Doch nur so können wir mit den Tätern Schritt halten", sagt er. Sein Referat stellt neueste Technologien auf den Prüfstand und untersucht, ob sie die Polizei in ihrer Arbeit unterstützen oder von Kriminellen missbraucht werden können. Lassen sich im 3-D-Drucker auch Waffen drucken, und wenn ja, wären sie schussfähig? Das sind Fragen, mit denen sich der Kommissar beschäftigt. Immer im engen fachlichen Austausch mit Forschern und Wissenschaftlern, auch auf internationaler Ebene.

Und wie sieht es mit den Arbeitszeiten aus? Schließlich erleben Fernsehzuschauer vor allem übernächtigte Ermittler mit Augenringen im Dauerdienst. Die Realität sieht zwar nicht ganz so dramatisch aus, im operativen Einsatz lassen sich Arbeitszeiten jedoch nur bedingt regeln. "Wenn wir einen Hinweis auf einen Gotteskrieger haben und aus dem Stand einen Einsatz hochfahren, dann kommen die Kollegen nicht um 17 Uhr raus, um die Kinder von der Kita abzuholen", sagt Petra Sandles.

Aus ihrer Sicht ist das einer der Gründe dafür, dass Frauen auf den Polizeihochschulen und im mittleren Dienst inzwischen gut vertreten sind, seltener jedoch im gehobenen oder höheren Dienst. "Es gibt Positionen, die sich mit dem Familienleben besser vereinbaren lassen, durchaus auch in Teilzeit", sagt Sandles. "Aber Führungspositionen sind in der Regel mit Einsatzverantwortung verbunden."

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