Arbeiten in der Krise:Kollege Nörgler meiden

37 Prozent der Deutschen bangen wegen der Wirtschaftskrise um ihren Job. Wie man seinen Arbeitsplatz sichert - und sich für den Fall der Fälle nach einer neuen Stelle umschaut.

Alexander Hagelüken

Wie viele Arbeitsplätze die Wirtschaftskrise in Deutschland kostet, kann niemand genau voraussagen. Zahlreiche Unternehmen wollen einen Stellenabbau durch Kurzarbeit oder andere Maßnahmen vermeiden. Natürlich wissen sie noch nicht, wie schwer die Rezession sie trifft.

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Kollege Nörgler: Wer ständig Frust, Genervtheit oder schlechte Laune spüren lässt, fällt negativ auf - und leistet weniger als möglich.

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Ende vergangenen Jahres gab es 27 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Die Bundesagentur für Arbeit hält es für möglich, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem Jahr um etwa eine Million steigt. In der jüngsten Umfrage des ARD-Deutschlandtests erklärten aber 37 Prozent der Deutschen, sie bangten um ihren Job. Das zeigt: Die Zahl der Menschen, die sich sorgen, ist weitaus höher als die derjenigen, die dann wirklich ihre Arbeit verlieren. Zur Panik besteht kein Anlass.

Ehrliche Analyse

Personalfachleute raten, genau auf Anzeichen zu achten, ob es Schwierigkeiten im Unternehmen gibt oder der eigene Job wirklich gefährdet ist. Ein Chefwechsel deutet häufig darauf hin, dass sich die Firma in Turbulenzen befindet. Ein anderes Warnzeichen ist es, wenn die eigene Abteilung auf einmal weniger Bedeutung hat. Mancher Fachmann empfiehlt, außerdem den persönlichen Job ehrlich zu analysieren: Wenn er erkennbar keine wertvolle Funktion für die Firma erfüllt, ist die Gefahr groß, dass er in der Krise eingespart wird - es hilft, sich frühzeitig nach etwas anderem umzusehen.

Jobexperten versuchen aber auch, Mut zu machen: Beschäftige könnten mehr tun, um ihren Arbeitsplatz zu sichern oder einen neuen zu finden, als sie in skeptischen Momenten denken. Manche der Empfehlungen mögen ungewöhnlich klingen, andere banal. Aber, so die Fachleute: Häufig tun Arbeitnehmer nicht mal das, was nahe liegt.

Keine plumpe Eigen-PR

Der heutige Unternehmensberater Jens-Uwe Meyer hat den Ratgeber "Fest im Sattel" geschrieben, der auf eigenen Erfahrungen beruht. Der frühere Auslandskorrespondent wurde 2004 Programmdirektor des Radiosenders Antenne Thüringen - und Chef von 40 Mitarbeitern. Sein Fazit: Als Untergebener hatte er sich Illusionen über das Leben in der Führungsetage gemacht. Wie viele andere Beschäftigte auch.

"Die meisten Mitarbeiter denken, nur Leistung zählt, und die Chefs sehen alles. Dabei sehen die Chefs oft wenig und haben es schwer, die Leistung von Mitarbeitern korrekt einzuschätzen." Meyer rät deshalb dazu, den Wert der eigenen Arbeit zu verdeutlichen. Plumpe Eigen-PR schade dem Beschäftigten, gute Vorschläge aber seien willkommen. "Mitarbeiter glänzen oft mit Erfolgen von gestern, anstatt Ideen für morgen zu entwickeln." Vorschläge beispielsweise, womit die Firma zusätzlich Geld verdienen oder bei den Sachkosten Geld einsparen kann.

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Kollege Nörgler meiden

Gefrustet, genervt und schlechte Laune

Gerade in der Wirtschaftskrise suchten viele Unternehmen händeringend nach solchen Ideen. Und die Führungskräfte seien für Vorschläge offen. "Die meisten Mitarbeiter aber denken gar nicht in diese Richtung." Wer sich kreativ zeige, helfe damit, seinen Job zu sichern. "Die meisten Unternehmen haben verstanden, dass blindes Entlassen dämlich ist. Sie suchen nach Möglichkeiten, die Mitarbeiter zu halten, die sie als produktiv ansehen", sagt Meyer.

Andere Personalexperten empfehlen, über die eigene Einstellung zum Unternehmen nachzudenken. Nach einer Umfrage des Gallup-Instituts fühlen sich zwei Drittel der Arbeitnehmer ihrer Firma wenig verbunden. Jeder Fünfte hat demnach sogar innerlich gekündigt. Wer ständig Frust, Genervtheit oder schlechte Laune spüren lässt, fällt negativ auf - und leistet weniger als möglich.

Im Nörgelzirkel

Kein gutes Omen in der Krise. Personaltrainer raten, die eigene Einstellung zu überprüfen. Ist die negative Haltung zum Arbeitgeber wirklich berechtigt? Dann wäre es vielleicht grundsätzlich besser, sich eine andere Tätigkeit zu suchen, bevor man sich aufreibt. Wenn sich aber jemand nur in seinen Frust hineinsteigert, womöglich in Nörgelzirkeln mit anderen Kollegen, obwohl der Job halbwegs objektiv betrachtet ganz passabel ist - dann schadet er sich damit nur selbst.

Wie alles in der Welt, ist auch dies wissenschaftlich untersucht: Wer mit sich im Reinen ist und eine positive Einstellung zum Job hat, macht mehr gute Vorschläge und ist produktiver. Dazu gehört auch, sich außerhalb der Arbeit genug Zeit für Entspannung und Sport zu nehmen. Wer nur beruflichen und privaten Stress kennt, leert seinen Akku und bleibt irgendwann stehen.

Netzwerk pflegen

Und wie bereitet man sich darauf vor, eventuell doch einen neuen Arbeitsplatz zu brauchen? Personalberater empfehlen, grundsätzlich ein weites Netz von Kontakten zu knüpfen - und zu pflegen. Viele neue Stellen ergeben sich nach wie vor, weil einer jemanden kennt oder weiterempfiehlt.

Im Internet-Zeitalter sind soziale Netzwerke dazu gekommen, auf denen sich Berufstätige präsentieren können. Headhunting-Firmen sind häufig auf Branchen spezialisiert, so dass sich die gezielte Ansprache empfiehlt. Auf Plattformen wie Placement 24 suchen der Eigenwerbung des Vermittlers zufolge mehr als 2000 Personalberater nach Kandidaten. Nur registrierte Berater können die Lebensläufe einsehen; dies soll verhindern, dass das eigene Unternehmen davon erfährt. Wer seine Daten hinterlegt, kann durch eventuelle Angebote lernen, seinen Marktwert realistisch einzuschätzen.

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