Arbeiten im Urlaub:Ferien vom Nichtstun

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Immer mehr Menschen wollen sich im Urlaub mit Arbeit erholen.

Von Simone Kudla

Morgens beim ersten Hahnenschrei aufstehen, Ställe ausmisten, Kühe melken - für die meisten Menschen hat das nichts mit Ferien zu tun. Früher war das anders: Um bei der Ernte mitzuhelfen, erhielten Stadtkinder Anfang des vergangen Jahrhunderts im Sommer erstmals schulfrei. An Reisen war da noch nicht zu denken, und die Kinder waren froh, wenn die heißen Monate vorbei waren und sie wieder zur Schule gehen konnten. Heute sieht die Kultusministerkonferenz fast drei Monate Ferien für alle Schüler vor, Erwachsenen sichert das Bundesurlaubsgesetz 21 Urlaubstage zu und verfügt in Paragraph 8: "Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten." Mit "Urlaubszweck" ist Erholung gemeint. Darauf können aber immer mehr Urlauber verzichten: Um während der Ferien Geld oder die Übernachtung zu verdienen, arbeiten sie. Auf Baumwollfeldern in der Türkei, auf Pfefferplantagen in Indien oder auf bayerischen Almen.

Vier Stunden arbeiten, umsonst übernachten

Insgesamt seien Ferien auf dem Bauernhof in den vergangenen Jahren deutlich beliebter geworden, sagt Angela Schulze-Horsel von der Bundesarbeitsgemeinschaft "Urlaub auf dem Bauernhof". "Gerade die Nachfrage von Gästen, die sich auf dem Hof nützlich machen wollen, steigt stetig." Die Arbeit sei ein wesentlicher Bestandteil des Hof-Urlaubs, "und für viele ist sie das entscheidende Kriterium, die Ferien auf dem Land zu verbringen", so Schulze-Horsel.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft "Urlaub auf dem Bauernhof" sieht sich darum in zunehmender Konkurrenz zu traditionellen touristischen Anbietern. So wirbt der "Ferienclub Lüneburger Heide in der Göhrde" mit dem Slogan "Muskelkraft, die Arbeit schafft" für Ernteferien. Von April bis Oktober würden arbeitswillige Gäste dafür belohnt, dass sie im laufenden Betrieb mithelfen, sagt Sylvia Methfessel, Sprecherin des Ferienparks. Zehn Euro erhalten die Erntehelfer für ihre Arbeit. Der Lohn wird nicht bar ausbezahlt, sondern auf den Zimmerpreis angerechnet. 47 Euro kostet ein Ferienhaus - wer vier Stunden am Tag schuftet, übernachtet also fast gratis. Die Betreiber kämen mit dem Angebot einem neuen Bedürfnis der Urlauber entgegen, so Methfessel: "Gerade ältere Menschen, die nicht mehr berufstätig sind, arbeiten gerne im Urlaub."

Erdbeeren pflücken in Dänemark

Die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Bonn (ZAV) vermittelt Hobby- Erntehelfer auch ins Ausland, etwa auf Bauernhöfen in Island und Erdbeerplantagen in Dänemark. Der Verdienst liege zwischen 9 und 14 Euro die Stunde beim Ernten; oft werde auch nach Stückmenge oder Gewicht bezahlt, sagt Svenja Deters, Koordinatorin der Internationalen Nachwuchsförderung der ZAV. Die Anreisekosten werden nur dann komplett übernommen, wenn ein Arbeitsurlauber 12 Monate bleibt. Dafür, so Deters, sei körperliche Fitness unerlässlich: "Der Urlaubsaspekt ist bei dieser harten Arbeit ganz klar zu vernachlässigen." Trotzdem habe sich die Anzahl der Bewerber in den vergangenen drei Jahren verdreifacht.

Noch größer als bei der ZAV ist die Konkurrenz um Urlaubsjobs beim "Marlboro Summer-Jobbing": Etwa fünfhundert junge Leute prüft der Tabakkonzern jedes Jahr in einem Bewerbungsverfahren auf ihre Teamfähigkeit; nur 50 Bewerber dürfen schließlich für zehn Tage im Südwesten der USA auf einer Ranch arbeiten. Flugkosten, Unterkunft und Verpflegung werden von Marlboro übernommen. So hat Sebastian Schumann in Moab, einem Dorf mit 400 Einwohnern, zehn Tage lang als "Trail-Builder" die Wege von Geäst befreit. Es habe Spaß gemacht, vom Land habe er allerdings kaum etwas gesehen, sagt der Veranstaltungstechniker.

Sebastian ist selbstständig, Sanktionen für Arbeit im Urlaub muss er also nicht befürchten. Welche Handhabe aber hat ein Arbeitgeber, wenn ein Angestellter dem "Urlaubszweck" widersprechend arbeitet? "In der Regel keine", sagt der Münchner Fachanwalt für Arbeitsrecht Thomas Keller. Schließlich lenkten sich viele Urlauber auch bei Nebentätigkeiten vom Alltag ab: "Wenn eine Sekretärin im Urlaub Pferde striegeln möchte, ist das kein Problem. Sie erfährt dabei schließlich Abwechslung von ihrem Beruf."

Anders sei hingegen der Aushilfsjob einer professionellen Pferdepflegerin auf einer Ranch zu bewerten. "Der Urlaubsjob ist dann eine Fortführung dessen, was sonst auch gearbeitet wird." Die Urlauberin, so Keller, könne vom heimischen Arbeitgeber insbesondere dann bestraft werden, wenn sie vorrangig finanzielle Interessen verfolge oder für die unmittelbare Konkurrenz schufte.

© SZ vom 17.2.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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