Arbeiten im Ausland:Sprung nach Sydney

Nur wer den richtigen Beruf hat, wird in Australien mit offenen Armen empfangen.

Urs Wälterlin

Die Sonne steht hoch über Sydney, als sich Sabine Jasny in Richtung Kantine aufmacht. Die Münchnerin unterrichtet Deutsch an der University of Sydney, einer altehrwürdigen Institution, nur einen Steinwurf vom Stadtzentrum entfernt. Schattenplätze im Vorhof der Mensa sind rar. So brennt die Mittagssonne durch das dürre Geäst der Bäume. Doch der 40-Jährigen macht das nichts aus. "Wir leben gerne im Süden", sagt sie und nippt an ihrem Kaffee.

Sidney

Sidney: Ziel deutscher Sehnsüchte

(Foto: Foto: dpa)

Viel südlicher als Australien geht es kaum. Seit Januar letzten Jahres wohnt Sabine Jasny mit ihrem Mann Andreas Jäger und ihren Kindern, dem sechsjährigen Tim und der neunjährigen Lia, auf dem Antipoden-Kontinent. Zwar seien sie und ihr Mann viel gereist, sagt sie. "Aber hier waren wir vorher noch nie."

Jasny und Jäger sind beide Germanisten und haben im Fach Deutsch als Fremdsprache promoviert. "In diesem Berufsbereich haben wir dann viele Jahre in Deutschland an verschiedensten Institutionen gearbeitet und Lehrmaterial produziert", sagt Jasny. Doch irgendwann schien der letzte Tritt auf der Karriereleiter erreicht zu sein. "Wir sahen, dass wir in unserem Land nicht mehr weiterkommen. Wir hätten höchstens noch eine Schule übernehmen oder aufmachen können". Doch dazu fehlte dem Paar die Risikobereitschaft.

Der Blick über die Grenze reizte mehr. Über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) bewarb sich Jäger für zeitlich befristete Stellen in Spanien und in Sydney - und erhielt von beiden den Zuschlag. Jasny musste für sich und ihre Familie einen Beschluss fassen, der den Rest ihres Lebens prägen würde. Sie selber hatte nämlich gerade erfolgreich die Probezeit für eine ausgezeichnete Stelle an der Universität Bielefeld abgeschlossen - ein Dauervertrag wartete auf ihre Unterschrift. "Es war eine Entscheidung zwischen der Sicherheit einer festen Stelle, die in unserem Beruf äußerst selten ist, und einem Sprung ins absolut Unbekannte", sagt sie. Die beiden sprangen. Sie entschieden sich für Sydney.

111.600 Menschen wagen ihn im Durchschnitt pro Jahr, diesen Sprung. Australien ist seit 200 Jahren ein Einwanderungsland. Die Menschen kommen aus aller Welt - an erster Stelle aus Großbritannien und Neuseeland. Die Bedeutung der Deutschen unter den Immigranten hat in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen. Sie treten in den Statistiken nur noch unter "Andere" auf, zusammen mit den Schweizern und Österreichern.

Trotzdem ist die Zahl der Australien-Deutschen mit 115.215 noch immer vergleichsweise hoch. Ihre Spitze erlebte die Einwanderung aus Deutschland zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg, als Tausende am Ende der Welt eine neue Heimat suchten - aus unterschiedlichen Gründen. Es kam durchaus vor, dass Opfer und Täter auf demselben Schiff nach Down Under reisten.

Heute sind es in erster Linie Berufstätige, die in Australien ihr Glück suchen - alle anderen haben kaum mehr Chancen. Die australische Einwanderungspolitik ist äußerst strikt. Es gilt: Genommen wird nur, wer etwas bietet.

Sprung nach Sydney

Gefragt sind vor allem Handwerker. Da es die konservative Regierung unter Premierminister John Howard in den letzten elf Jahren versäumt hat, genügend jungen Menschen eine Ausbildung zu verschaffen, herrscht in Berufen wie Klempner, Elektriker und Krankenpfleger ein drastischer Mangel an Fachkräften. Die Situation wurde in vergangenen Jahren durch den Rohstoffboom noch verstärkt. Tausende Handwerker zogen von der bevölkerungsreichen Ostküste nach Westaustralien, angelockt von Spitzengehältern in der Bergbauindustrie.

Arbeiten in Australien: Sydney

Sabine Jasny hat sich mit ihrer Familie in Sydney so gut eingelebt, dass sie sich inzwischen eine Rückkehr nach Deutschland kaum vorstellen kann.

(Foto: Foto: oh)

Das Einwanderungsamt veröffentlicht eine laufend aktualisierte Liste, auf der nachzulesen ist, welcher Ausbildung bei einer Einwanderungsbewerbung wieviele Punkte angerechnet werden.

Jasny blinzelt in die Sonne. "Es war nicht einfach, als wir hier ankamen - obwohl wir privilegiert sind", sagt sie. Mit Schaudern erinnert sie sich an die ersten Wochen nach der Ankunft. Sie erzählt, wie sehr ihr Sohn unter der neuen Umgebung gelitten habe. "Er hat eine Woche lang nur geweint. Die Kinder konnten ja kein Wort Englisch. Es war brutal."

Doch nach relativ kurzer Zeit wendete sich das Blatt. Heute ist Tim Klassenbester und spricht akzentfrei Englisch. Andreas Jäger, der an der Universität eine gute Stelle hat, verdient deutlich mehr als das australische Durchschnittsgehalt von umgerechnet knapp 27.000 Euro. Dazu kommen ansehnliche Zulagen des DAAD aus Deutschland. Auch Sabine Jasny hat es gut getroffen mit ihren beiden Teilzeitstellen an der Universität und am Goethe-Institut.

Einwanderer, die ganz auf sich gestellt sind, haben es beruflich oft schwer. Nicht selten wird ihnen erst im Land klar, dass ihre vermeintlichen Spitzenqualifikationen aus Europa nicht anerkannt werden. In vielen Fällen sind die Beschränkungen einfach eine versteckte Form von Arbeitsplatz-Protektionismus der australischen Industrie. In Kursen müssen sich die Neuankömmlinge den australischen Standard beibringen. In einzelnen Industrien sind die Hürden von den australischen Berufsorganisationen so hoch gesetzt worden, dass sie kaum überwunden werden können. So endet der Traum von der neuen Heimat manchmal in einem Albtraum: In kaum einer anderen Stadt gibt es so viele studierte Taxifahrer wie in Sydney.

Es gibt eine Reihe von Visa, die einem die Arbeit - oder zumindest eine bestimmte Arbeit - erlauben. Das "skilled independent visa" ist passend, wenn man einen der gesuchten Berufe ausübt und unter 45 Jahre alt ist. Das "employer sponsored visa" erhält man nur, wenn man bereits ein Arbeitsangebot von einer australischen Firma hat. Es ist auf die Dauer der Anstellung beschränkt. Sehr beliebt ist das "business visits & development visa". Man kann es beantragen, um eine Firma in Australien zu etablieren. In der Regel muss man dafür jedoch viel Startkapital vorlegen. In jedem Visasektor gilt: Der Entscheidungsprozess ist oftmals langwierig, undurchsichtig und nicht selten inkonsistent. Ein Antragsteller kann ein Jahr auf sein Visum warten, der andere hat es nach einem Monat.

Wie Sabine Jasny. "Es ging alles blitzschnell, und schon mussten wir den Container packen." Seit ihrer Ankunft auf der anderen Seite der Welt gefällt es der Familie immer besser. "Wir vermissen manchmal die Omas und die Opas." Sonst fühle man sich zu Hause in den Antipoden. Der Lebensstil sei locker, man könne "hier auch noch etwas aufbauen". Immer wieder kommt am Familientisch die Frage auf, was man in drei Jahren machen wird, wenn der Austauschvertrag abläuft und der Geldfluss aus Deutschland versiegt. Jasny hat eine Idee: "Vielleicht machen wir dann hier eine Schule auf." Die australische Sonne scheint die Angst vor dem Risiko zu vertreiben.

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