Arbeiten im Alter:Weg von der Frührente

Es gibt weniger junge Beschäftigte, gleichzeitig finden Ältere nur sehr schwer einen neuen Job. Ein finnisches Reformprogramm reagiert erfolgreich auf diese Misere.

Caspar Dohmen

Alle Industrieländer kennzeichnet das Dilemma. Weniger junge Beschäftigte wachsen heran, gleichzeitig haben es ältere Beschäftigte schwer, einen neuen Job zu bekommen. In manchen Berufen ist es fast unmöglich, eine neue Stelle zu finden, wenn ein Bewerber die magische Grenze von 50 Jahren überschritten hat. Für die Volkswirtschaft ist dies eine Belastung: Die frühe Verrentung kostet die staatliche Sozialkassen Geld und wertvolles Wissen erfahrener Beschäftigter geht verloren.

Arbeiten im Alter: Finnland ist bei der Beschäftigung älterer Menschen schon deutlich weiter vorangeschritten als Deutschland.

Finnland ist bei der Beschäftigung älterer Menschen schon deutlich weiter vorangeschritten als Deutschland.

(Foto: Foto: Photodisc)

Eine Verbesserung der Situation hat sich die Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben. So heißt es im Koalitionsvertrag: "Aktives Altern ist ein Ziel, das allen gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen zugute kommen." Auch in der Wirtschaft denken mehr und mehr Unternehmen um. Noch ist allerdings wenig passiert. Könnte Deutschland in dieser Situation von anderen Ländern lernen?

Diese Frage hat sich die Bertelsmann Stiftung gestellt und zehn Länder verglichen. Dabei ermittelte sie zwei Gruppen von Staaten. Solche, in denen die Erwerbsbeteiligung der Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter traditionell deutlich höher ist als in Deutschland. Als Beispiele führen die Autoren der Studie Schweden, Schweiz, Großbritannien und die USA an.

Daneben finden sich Länder, die vor einigen Jahren vor der gleichen oder sogar noch schwierigeren Situation standen als Deutschland heute, die jedoch die Weichen früher umstellten, sodass sie inzwischen einen deutlichen Beschäftigungszuwachs in der Altersgruppe der 55- bis 64-jährigen verbuchen können. Finnland und die Niederlande gehörten zu dieser Gruppe, ebenso wie Australien und Neuseeland.

Weg von der Frührente

Besonders erfolgreich war Finnland. Das Land geriet nach dem Fall der Mauer im Jahre 1989 in eine wirtschaftliche Krise. Dazu kam der grundlegende Strukturwandel von einem Rohstoff produzierenden Land hin zu einem Technologiestandort mit hohem Weiterbildungsbedarf für ältere Arbeitnehmer. Die Zahl der Erwerbslosen stieg drastisch, 1994 war mehr als jeder fünfte 55- bis 59-Jährige Finne arbeitslos.

Auf die Entwicklung reagierte die finnische Regierung zwischen 1998 und 2002 mit der konzertierten Aktion zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen älterer Menschen. Daran schlossen spezifische Nachfolgeprogramme einzelner Ministerien an. Mit den Reformmaßnahmen beendete das Land seine bis dahin praktizierte "Kultur der Frühverrentung" hin zu einer "Kultur des längeren Erwerbsleben".

Das Programm basierte zunächst im Wesentlichen auf dem Ansatz der "Arbeitsfähigkeit" des Finnischen Instituts für Arbeitsmedizin. Dabei geht es um die Frage, wie das Potenzial der Mitarbeiter so erhalten und entwickelt werden kann, dass die Arbeitenden bei möglichst guter Gesundheit das Rentenalter erreichen und die Betriebe gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich am Markt agieren können. Dabei bilden Arbeit, Werte wie die Einstellung des Mitarbeiters, Bildung, Kompetenz und Gesundheit Bausteine. Die Zielgruppen waren die Älteren selbst, ihre Vorgesetzten am Arbeitsplatz, Lehrende und das Personal von Arbeitsplatzorganisationen.

Mit dem Programm verknüpfte die Regierung einige Gesetzeänderungen. So führte sie zuletzt ein variables Rentenalter von 63 bis 68 Jahren ein, wobei die Rente umso höher ausfällt, je länger die Beschäftigten arbeiten. Parallel setzte die Regierung auf Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik. So wurde die Anzahl geförderter Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer auf sechs Prozent verdoppelt. Heute liegt die Erwerbsquote Älterer mit 55 Prozent gut zehn Prozentpunkte über dem Durchschnitt der EU-Länder. Grund genug für die Stiftung, das Reformprogramm mit dem Carl Bertelsmann Preis auszuzeichnen.

Erfolgreich waren Länder immer dann, wenn sie auf einen Mix an Maßnahmen setzten. Zentral sei die Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser durch Qualifizierungsmaßnahmen, Lohnzuschüsse und eine intensive Arbeitsvermittlung - noch wichtiger sei es aber, Ältere gar nicht zu den Hauptbetroffenen von Arbeitslosigkeit werden zu lassen, schreiben die Autoren.

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