Andrang an Universitäten:Die Angst der Leistungsträger

Selbst Einser-Schüler müssen um einen Studienplatz bangen - schuld daran sind der doppelte Abiturjahrgang und die Aussetzung der Wehrpflicht.

Tina Baier und Sebastian Krass

Die 1,0 ist ein besonderer Wert im Bildungssystem, besser geht es nicht. Ein Gymnasiast, der mit dieser Durchschnittsnote das Abitur passiert, sollte ohne Sorgen den Sommer genießen können. Jeder Studienplatz, den er will, müsste ihm sicher sein. Müsste, ist er aber nicht. Nicht im Bayern des Jahres 2011. "Ich befürchte, dass die 1,0 diesmal nicht reicht, um sicher einen Studienplatz in Medizin zu bekommen", sagt Jürgen Gündel, Leiter der zentralen Studienberatung der Uni Erlangen-Nürnberg.

An diesem Freitag um 24 Uhr endet die Bewerbungsphase für das Wintersemester. Die Zeit des Bangens für viele unter Bayerns Abiturienten geht damit aber erst richtig los. Der doppelte Abiturjahrgang und die Aussetzung der Wehrpflicht werden zu einem historisch einmaligen Ansturm auf Bayerns ohnehin schon überfüllte Universitäten führen. Zum vergangenen Wintersemester gab es in Bayern knapp 60.000 Studienanfänger. Aber die Uni Würzburg wird zum Bewerbungsschluss über 40 Prozent mehr Bewerber haben als vor einem Jahr. Niemand weiß, wie viele am Ende auch wirklich in die Uni kommen. Aber sicher ist, dass der Numerus clausus (NC) sich in vielen Fächern weiter verschärfen wird.

Besonders signifikant ist die Überforderung des Systems in der Medizin, einem besonders teuren Studienfach. 250 zusätzliche Studienplätze sind laut Wissenschaftsministerium neu geschaffen worden. Mehr geht oft auch aus Platzgründen nicht, anders als etwa in Wirtschaftswissenschaften. 20Prozent des Kontingents an Medizinstudienplätzen werden über die Wartezeit vergeben, 20 Prozent gehen an die besten Abiturienten des jeweiligen Bundeslandes. Dieser "Landes-NC" lag für Bayern im vergangenen Jahr schon bei 1,1. Er dürfte nun auf 1,0 sinken, ohne dass damit alle Interessenten versorgt wären. Für 60 Prozent der Plätze legen die Unis jeweils ihre Kriterien fest. In Nürnberg-Erlangen, Bayerns zweitgrößter Hochschule, etwa können Bewerber aus der ganzen Republik über eine Eignungsprüfung, den Medizinertest, einen Bonus von bis zu 0,8 auf ihren Abischnitt erreichen, eine einschlägige Berufsausbildung bringt 0,1. Auf diesen Wegen kann ein 1,4-Abiturient einen mit 1,0-Abschluss überholen.

Vor dem Hintergrund ist das deutlich bessere Abschneiden der Absolventen des achtjährigen Gymnasiums (G8) im Vergleich zu den Abiturienten des letzten G-9-Jahrgangs umso gravierender. Die bayernweiten Durchschnittsnoten liegen bei 2,2 und 2,42. Zudem gibt es nach Auskunft des Kultusministeriums unter den G-8-Absolventen 40 Prozent mehr Schüler mit einem Schnitt zwischen 1,0 und 1,5 als im G9 - was im NC-System besonders wichtig ist. "G-8-Abiturienten haben bessere Chancen, einen Studienplatz zu bekommen", bestätigt Bernhard Scheer, Sprecher der Stiftung für Hochschulzulassung (früher ZVS). "Und je mehr davon in Bayern bleiben, desto schlechter stehen die Chancen für G-9-Abiturienten, in ihrem Bundesland einen Studienplatz zu bekommen." Eine Kompensation für diese Ungleichheit sei rechtlich aber nicht machbar, erklärt das Wissenschaftsministerium.

Dort hält man an der These fest, dass es nach den Ausbaubemühungen der vergangenen Jahre genügend Studienplätze gebe. "Wir können den Bedarf theoretisch schon decken, aber nicht in den nachgefragten Fächern", sagt Thomas Frisch, Leiter des Referats für Studienangelegenheiten in Würzburg, auch mit Blick auf ein Fach wie Psychologie, in dem der NC deutlich unter 1,5 liegen wird. "In Archäologie haben wir schon noch Plätze frei", ergänzt er.

Die diesjährige Abiturbilanz hat aber auch einen Vorteil, zumindest für G-8-Schüler, die bereit sind, jenseits der Grenzen des Freistaats zu studieren. Denn mit ihrem Schnitt könnten sie an der Spitze aller Bundesländer liegen. Das legt die nationale Abiturbilanz aus dem Jahr 2009 nahe. Den besten Schnitt erzielten damals die Schüler aus Thüringen mit 2,3 - einen Zehntelpunkt schlechter als die ersten G-8-Absolventen aus Bayern.

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