Alkoholtests mit Jugendlichen:Pusten am Schultor

Vollrausch schon am Vormittag: In den USA testen Lehrer ihre Schüler schon vor dem Unterricht auf Alkohol. Auch eine deutsche Schule greift hart durch.

Julia Bönisch

Eigentlich sind die Abschlussbälle an amerikanischen Highschools der Höhepunkt des Jahres. Bereits Wochen vorher suchen sich die Schüler die richtige Begleitung, das passende Ballkleid und mieten eine Limousine - Szenen, die Gegenstand unzähliger US-Teenie-Komödien sind.

Pusten, ap

Schüler bei der Alkoholkontrolle: Einmal in der Woche ist in der Klasse jemand betrunken, high oder dealt mit Drogen.

(Foto: Foto: ap)

Doch in letzter Zeit sind die sogenannten Proms nicht mehr besonders gutbesucht. Grund sind die systematisch durchgeführten Alkoholtests, die immer mehr Schulen an der Eingangstür der Aula durchführen. In Smoking oder dem kleinen Schwarzen muss jeder Schüler pusten. Wer Alkohol getrunken hat, der darf nicht mitfeiern.

Partyfotos mit Bierflaschen

Auch Schüler, die in den Tests nicht negativ auffallen, beschweren sich über dieses Vorgehen. "Es ist demütigend, an seinem eigenen Abschlussball so behandelt zu werden", zitiert die New York Times aufgebrachte Jugendliche. "Warum können uns die Lehrer nicht einfach vertrauen?"

Seitdem viele Schulen noch einen Schritt weiter gehen und die Alkoholkontrollen auch vor oder im Unterricht durchführen, ist das Klima vollends vergiftet. Eltern müssen der Schule in Verträgen zusichern, dass das Zuhause ihrer Kinder auf Geburtstagen eine alkoholfreie Zone ist. Mitgliedern der Highschool-Sportmannschaften, von denen auf Internetseiten wie MySpace oder Facebook Partyfotos mit Bierflaschen kursieren, droht der Ausschluss aus den Teams.

Alkohol erst ab 21

So versuchen besorgte Lehrer, Eltern und Behörden, die Jugendlichen vom Trinken abzuhalten. Zwar ist der Kauf und Konsum von alkoholischen Getränken in den USA erst mit 21 Jahren erlaubt, doch finden immer mehr Schüler Mittel und Wege, sich trotzdem Bier oder Schnaps zu beschaffen.

So trinken nach einer Studie des amerikanischen Gesundheitsministeriums 43,6 Prozent der Highschool-Schüler regelmäßig Alkohol, das Einstiegsalter liegt bei nur 13 Jahren. In einer Untersuchung der Columbia University in New York gaben 31 Prozent der Jugendlichen an, mindestens einmal in der Woche sei in ihrer Klasse jemand betrunken, high oder deale selbst mit Drogen.

Mit der Bierflasche durch die Innenstadt

Auch in Deutschland wird spätestens seit dem Fall des 16-jährigen Lukas aus Berlin, der nach 52 Tequila ins Koma viel und schließlich starb, wieder über strengere Gesetze diskutiert. Lehrer aller Schulformen berichten übereinstimmend, der Umgang mit Alkohol habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert: Das Problembewusstsein sinke, die Trinker würden immer jünger. Nachmittags begegnen den Pädagogen Schüler in den Innenstädten, die mit einer Bierflasche herumlaufen. Betroffen seien alle Kinder - unabhängig davon, aus welchem Elternhaus sie kommen.

Promille-Tests nach amerikanischem Vorbild also auch in Deutschland? Rein rechtlich ist das problematisch, doch Helga Ulbricht von der staatlichen Schulberatung in Bayern hat Verständnis für das harsche Vorgehen ihrer Kollegen in den USA. "Um die Suchtproblematik in den Griff zu bekommen, ist solch ein Puste-Test natürlich nicht hilfreich", sagt die Pädagogin. "Aber Beweise liefern kann er durchaus. Dann können Eltern und Lehrer mit dem Schüler daran arbeiten."

Auf der nächsten Seite: Warum sich die Schüler im Eliteinternat Schloss Salem schon Alkohol- und Drogentests unterziehen müssen - und wie die Maßnahmen funktionieren.

Pusten am Schultor

Jugendschutz vor Freiheit

Im Zweifelsfall müsse die Schule abwägen zwischen dem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Schülers und dem Jugendschutz. "Schule und Elternhaus haben eine Erziehungs- und Begleitungspflicht bis ins Erwachsenenalter", erklärt Helga Ulbricht. "Vor gefährlichen Dingen wie Alkohol müssen wir die Kinder schützen. Da steht der Jugendschutz an erster Stelle und vor der persönlichen Freiheit der Kinder."

Besonders hervorgetan mit rigiden Kontrollen und hartem Durchgreifen hat sich das private Internat Schloss Salem am Bodensee. Bereits seit sechs Jahren werden Schüler bei Auffälligkeiten nicht nur auf Alkohol getestet. Stichprobenartig führen die Erzieher der Schule auch Urintests durch, um Haschisch, Kokain, oder Ecstasy entdecken zu können. Bei Auffälligkeiten senden sie die Probe an ein Labor für genauere Untersuchungen.

Guter Wein gehört zum Kulturgut

Das Internat hat sich mit derartigen Maßnahmen bereits den Ruf einer Aufbewahrungsanstalt für die verzogenen Nachkommen der Elite erworben. Jeder Schüler wird vor Aufnahme in die Schule über diese Maßnahmen in Kenntnis gesetzt, seine Eltern müssen einen sogenannten Drogenvertrag unterschreiben, in dem sie sich mit den Tests einverstanden erklären.

Mit Rauschgift habe man auch dank der Tests kein Problem, sagt Dagmar Berger, Leiterin der Oberstufe in Schloss Salem. In manchen Wohneinheiten komme es dagegen vor, dass an jedem Tag einer der Schüler in das Gerät pusten müsse. "Das soll in erster Linie nicht der Bestrafung dienen, sondern zu einem vernünftigen Umgang mit dem Thema Alkohol führen."

Problematisch sei häufig nicht der Alkohol allein. "Trinkende Schüler schwänzen öfter, sind aggressiv und verhaltensauffällig." Deshalb werde jeder Teenager pädagogisch begleitet. "Wir bestrafen natürlich nicht nur."

Anders als in den USA gibt es auf den Abschlussbällen in Schloss Salem trotzdem Alkoholisches. Denn im Gegensatz zu den USA sind Bier und Wein ab 16 schließlich erlaubt. "Außerdem", sagt Berger, "gehört ein guter Badischer in Deutschland zum Kulturgut."

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