Aktion gegen Schwänzer:"Ein Schraubenzieher für schwierige Fälle"

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Ein Grill, eine Kaffeemaschine, eine Kamera: Wer sein Kind pünktlich zur Schule bringt, den will Jugendpfleger Michael Hess mit Sachprämien belohnen.

Martin Zips

In Oer-Erkenschwick (Kreis Recklinghausen) sollen sozial problematische Familien künftig Prämien im Wert von bis zu 100 Euro erhalten - etwa wenn sie ihre Kinder stets pünktlich in die Schule schicken. Auch ein gesundes Frühstück könnte den Eltern Bonuspunkte einbringen. Jugendpfleger Michael Hess, 51, hatte die Idee zu der Aktion, die nur noch vom Landesjugendamt abgesegnet werden muss.

Michael Hess: Der Jugendpfleger will ein Bonussystem einführen. (Foto: Foto: oh)

SZ: Herr Hess, Oer-Erkenschwick scheint ja ein ganz heißes Pflaster zu sein.

Michael Hess: Nein, hier ist es nicht heißer als woanders.

SZ: Zuletzt war Ihre Stadt bundesweit in den Schlagzeilen, weil sich Feuerwehrmänner bei der Aufnahmeprüfung gegenseitig mit Schuhcreme die Genitalien beschmierten.

Hess: Gut, diesmal geht es um Probleme, die die zuständigen Pädagogen gemeinsam mit Eltern lösen wollen. Zum Beispiel das Schulschwänzen. Ein Problem, das natürlich nicht nur in Oer-Erkenschwick existiert.

SZ: Angenommen, ich gehöre zu den Vätern, die ihr Kind täglich pünktlich in die Schule bringen. Könnte ich Ihre 100-Euro-Prämie dann in jedem Fall einstecken?

Hess: Nein. Das Bonussystem ist vor allem für Eltern gedacht, die sich der Zusammenarbeit mit Jugendamt, Kindergarten oder Schule konsequent entziehen. Es gibt doch schon überall solche Bonuskarten. Wieso sollte man sie nicht auch in der Jugendhilfe etablieren?

SZ: Weil man ja einfach sagen könnte: "Kruzifix, um acht ist Schule, da gehst du hin, und jetzt ist Ruhe."

Hess: Leider machen das nicht alle Eltern. Unser Bonussystem soll eine Art Schraubenzieher für besonders schwierige Fälle sein. Ein Anreiz. Ein Versuch.

SZ: Sie denken an ein Payback-Punkte-System für Problemfamilien?

Hess: Unser Gedanke ist zum Beispiel: Der Lehrer soll durch das Stempeln der Bonuskarte das regelmäßige Erscheinen des Schülers bestätigen. Hat der Schüler eine gewisse Zahl an Stempelpunkten erreicht, so gibt es eine Belohnung ...

SZ: ... nämlich einen Einkaufsgutschein im Wert von 100 Euro, mit dem die Eltern anschließend eine Großpackung Jägermeister einkaufen gehen?

Hess: Nein. Gedacht ist an Sachprämien, die wir verteilen. Ein Grill, eine Kaffeemaschine, eine Kamera. Solche Dinge, wie man sie von einer Zeitung kriegt, wenn man neue Abonnenten wirbt.

SZ: Kundenpflege also. Und ganz Oer-Erkenschwick ist von dieser Idee begeistert?

Hess: Sie wurde von verschiedenen Schulen, Kindergärten und von Politikern zuerst kontrovers diskutiert. In der entscheidenden Ausschusssitzung hat man hier den einstimmigen Beschluss gefasst: Jetzt probieren wir das einfach mal aus. Schließlich gibt es im Jugendförderplan einen Topf, der heißt "Besondere Maßnahmen, innovative Projekte und Experimente". Aus dem bräuchten wir 23.000 Euro, um das zu verwirklichen.

SZ: Herr Hess, wenn ich meinem Kind Schokolade gebe, bloß weil es die Hausaufgaben gemacht hat, dann will es fortan immer Schokolade. Haben Sie nicht Angst, Eltern - die nichts anderes tun, als etwa der Schulpflicht nachzukommen - zu sehr zu verwöhnen? Beim nächsten Mal wollen die vielleicht ein Auto.

Hess: Es geht darum, dass man den Eltern eine positive Erfahrung nachhaltig mit auf dem Weg gibt. Ich bin da sehr optimistisch.

© SZ vom 28.01.2009/tess - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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