Ältere Arbeitnehmer:Jeder Dritte über 50 hat innerlich gekündigt

Innere Kündigung

Viele Arbeitnehmer steigen hochmotiviert in ein Unternehmen ein, um dann zunehmend desillusioniert zu werden.

(Foto: iStock)

Fast ein Viertel der deutschen Arbeitnehmer fühlt sich einer Studie zufolge emotional nicht an seinen Arbeitgeber gebunden. Bei den über 50-Jährigen ist der Anteil sogar noch höher. Verantwortlich für die innere Kündigung sind meist Vorgesetzte.

Von Sibylle Haas

Es ist die vergessene Generation: Die Babyboomer, die geburtenstarken Jahrgänge der über 50-Jährigen. Fast jeder dritte Arbeitnehmer über 50 hat innerlich gekündigt, ist seinem Arbeitgeber also emotional so gut wie gar nicht mehr verbunden, ergab eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Gallup. Warum ausgerechnet die Babyboomer, fragte Gallup und fand heraus: Die Älteren fühlen sich vernachlässigt.

Marco Nink ist Verhaltensökonom und arbeitet bei Gallup. Er leitet die Studie seit langem. Gallup ermittelt seit 2001 den sogenannten Engagement- Index, der den Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeitern an ihr Unternehmen abbildet. Dieser gibt Aufschluss darüber, ob die Beschäftigten engagiert und motiviert arbeiten oder ob sie eher mit Unlust bei der Arbeit sind. Für die jüngste Untersuchung wurden knapp 2200 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer ab 18 Jahren telefonisch interviewt. Die Ergebnisse sind laut Gallup repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in Deutschland.

Die älteren Mitarbeiter, so fand Gallup heraus, haben seltener das Gefühl von ihrem Chef unterstützt und gefördert zu werden. Sie haben oft den Eindruck, sich nicht mehr weiterentwickeln zu können und als Mensch nicht gesehen zu werden. "Die Baby-Boomer stellen einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitnehmer, verschwinden aber durch die nachfolgenden Generationen zunehmend vom Aufmerksamkeits-Radar", sagt Nink.

Die Hauptrolle spielen Vorgesetzte

Die jüngste Gallup-Untersuchung zeigt aber auch insgesamt: Immer mehr Arbeitnehmer driften in die innere Kündigung ab. Bei der ersten Erhebung im Jahr 2001 zählten nur 15 Prozent der deutschen Beschäftigten zur den "emotional nicht gebundenen Mitarbeitern". 2007 lag dieser Anteil bereits bei 20 Prozent und erreichte 2012 mit 24 Prozent einen Höchststand. Dies habe mit dem demografischen Wandel zu tun, betont Nink, aber auch mit dem Führungsverhalten von Vorgesetzten.

Viele Arbeitnehmer stiegen hochmotiviert in ein Unternehmen ein, würden dann aber zunehmend desillusioniert, verabschiedeten sich irgendwann ganz aus dem Unternehmen und kündigten innerlich, sagt Nink. Die Hauptrolle in diesem Prozess spiele fast immer der direkte Vorgesetzte.

"Aus motivierten Leuten werden Verweigerer wenn ihre Bedürfnisse und Erwartungen bei der Arbeit über einen längeren Zeitraum ignoriert werden", erklärt der Verhaltensökonom. "Man fragt sie nicht nach ihrer Meinung, gibt ihnen weder positives Feedback noch eine konstruktive Rückmeldung zur Arbeitsleistung und interessiert sich nicht für sie als Mensch."

Arbeitgeber müssten sich deshalb mehr darum kümmern, dass sich die Mitarbeiter mit ihrer Firma identifizieren. "Sonst droht auf breiter Linie ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit", warnt Nink. Immerhin macht fast jeder dritte Dienst nach Vorschrift und nur 15 Prozent haben eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber und sind daher bereit, sich freiwillig für dessen Ziele einzusetzen.

Die Werte sind alarmierend, denn sie haben hohe Kosten zur Folge. Wer innerlich gekündigt hat, ist weniger leistungsbereit und verantwortungsbewusst und er ist öfter krank, wie die Gallup-Studie zeigt. Im vergangenen Jahr hatten frustrierte Mitarbeiter im Durchschnitt 3,1 Fehltage mehr als engagierte. Der deutschen Wirtschaft entstehen aufgrund von Fehlzeiten durch fehlende oder geringe emotionale Bindung der Beschäftigten jährlich Kosten in Höhe von 18,3 Milliarden Euro. Und: Die innere Kündigung verursacht erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden. Gallup-Hochrechnungen beziffern die jährlichen Kosten durch Produktivitätseinbußen auf 112 bis 138 Milliarden Euro.

Doch nicht nur das. Auch die Innovationsfreude sinkt, wenn sich Mitarbeiter innerlich verabschiedet haben. Anregungen für Verbesserungen und neue Ideen kommen nur von den Engagierten. "Dabei geht es nicht darum, dass Mitarbeiter jeden Tag bahnbrechende Innovationen hervorbringe", sagt Nink. Wichtig seien auch kleine Ideen, etwa zur Verbesserung von Arbeitsabläufen.

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