Aberkennung des Doktorgrades:Guttenberg und der "rechtswidrige Verwaltungsakt"

"Wir sind einem Betrüger aufgesessen", sagt ein Bayreuther Professor. Die Uni hat den Titel aber aus anderen Gründen aberkannt. Warum? Was bedeutet die Erklärung der Hochschule? Fragen und Antworten zum Entzug des akademischen Grades.

Heribert Prantl, Tanjev Schultz und Roland Preuß

Die Universität Bayreuth hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg am Mittwochabend seinen Doktortitel aberkannt. Guttenberg habe "in erheblichem Umfang" gegen Zitierpflichten verstoßen, hieß es zur Begründung.

Uni Bayreuth Doktorarbeit von Guttenberg

Bayreuths Universität ist knapp vier Jahre jünger als ihr bekanntester Absolvent: Sie wurde 1975 gegründet. Das neue Audimax auf dem Campus südlich der Stadt wurde erst 1994 eröffnet, als Karl-Theodor zu Guttenberg hier bereits Rechtswissenschaften studierte. Mit dessen Dissertation hat die Universität nun Probleme: Weil Guttenberg seine Zitierpflichten verletzt hatte, entzog sie ihm den Doktortitel. Eine Kommission der Uni soll prüfen, ob beim Verfassen der Arbeit Täuschung im Spiel war. Das Bild zeigt eine Kunstfigur vor der Juristischen Fakultät.

(Foto: dpa)

Der in Bayreuth lehrende Staatsrechtslehrer Oliver Lepsius sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Donnerstag: "Wir fühlen uns getäuscht. Wir sind einem Betrüger aufgesessen." Lepsius, seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Allgemeine und Vergleichende Staatslehre, fügte mit Blick auf den Ruf der Fakultät hinzu: "Wir gehören zu den zehn besten rechtswissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland."

Zuvor hatte Guttenberg im Bundestag Fehler eingeräumt, aber betont, er habe nicht bewusst getäuscht. Die SZ beantwortet die wichtigsten Antworten zum Verlust des Doktortitels.

Durfte die Uni Bayreuth den Doktortitel mit dieser Begründung aberkennen?

Ja. Sie hatte eine einfache und eine schwierigere Möglichkeit, Guttenberg den Titel zu nehmen. Sie hat die einfache gewählt. Dabei musste sie eine "Täuschung" nicht prüfen. Es genügte die Verletzung der Zitierpflichten durch Guttenberg. Die Uni stützte sich auf Artikel 48 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes über die "Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts" - eben der Verleihung des Doktortitels.

Die Rechtswidrigkeit

Warum war Guttenbergs Doktortitel rechtswidrig?

Die Universität war bei der Verleihung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Guttenberg hatte gegen zwei Paragraphen der Promotionsordnung massiv verstoßen: gegen Paragraph 7 Absatz III ("Die benutzte Literatur und sonstige Hilfsquellen sind vollständig anzugeben; wörtliche oder nahezu wörtlichem Schrifttum entnommene Quellen sind kenntlich zu machen") und gegen Paragraph 8 Nr. 6 (Dem Antrag auf Zulassung zur Promotion "sind beizufügen eine ehrenwörtliche Erklärung des Bewerbers darüber, dass er die Dissertation selbständig verfasst und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt hat"). Weil die Uni auf die Einhaltung der Vorschriften vertraut, Guttenberg aber dagegen verstoßen hat, war die Verleihung des Doktortitels rechtswidrig und zurückzunehmen.

Die Täuschung

Die "Täuschung" ist also noch nicht geprüft, die Verletzung der ehrenwörtlichen Erklärung Guttenbergs bejaht?

Die Begründung der Uni bedeutet: Guttenberg hat gegen sein Ehrenwort verstoßen - weil er andere als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzte. Der Unterschied zur Täuschung liegt im Bereich des Subjektiven. Im Wort Täuschung steckt die innere Haltung des Täters: grobe Fahrlässigkeit, bedingter oder direkter Vorsatz. Dazu wollte die Uni auf die Schnelle nichts sagen.

Bei einer "Täuschung" hätte die Uni zur zweiten Möglichkeit der Titelaberkennung greifen können: Entziehung des Doktorgrades nach Paragraph 36 der Promotionsordnung in Verbindung mit den gesetzlichen Bestimmungen über die Führung akademischer Titel; dort ist von Täuschung und Unwürdigkeit die Rede.

Der Vorsatz

Der Uni-Präsident sprach von "objektiver Täuschungshandlung": Was ist das?

Das wissen auch Juristen nicht; der Präsident, ein Nichtjurist, hat sich unglücklich ausgedrückt. In der Täuschung steckt immer ein subjektives Element, ein Vorspiegeln falscher Tatsachen. Guttenberg beruft sich auf Nachlässigkeiten und Schlampereien seinerseits, behauptet also bloße Fahrlässigkeit.

Hat Guttenberg vorsätzlich gehandelt?

Die Verwaltungsgerichte schließen bei einer Häufung von Verstößen auf einen zumindest bedingten Vorsatz. Es gibt mehrere Stufen des Vorsatzes: die Absicht (Vorsatz ersten Grades), den direkten Vorsatz (Vorsatz zweiten Grades) und den bedingten Vorsatz. Wenn Guttenberg sagt, dass er "niemals bewusst getäuscht" habe, meint er wohl, dass es keine "Absicht" der Täuschung gab, er also keinen Vorsatz ersten Grades hatte. Ein bedingter Vorsatz ist aber grundsätzlich ausreichend, um den Vorsatz für eine Tat zu begründen. Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter die Tat zwar nicht unbedingt will, aber sich damit abfindet.

Das Plagiat

Ist der Doktortitel auf einen Antrag von Guttenberg hin aberkannt worden?

Nein. Der Antrag Guttenbergs war dafür unerheblich. Die Promotionskommission kann ohne Antrag tätig werden. Wenn die Kanzlerin davon spricht, dass dem Antrag Guttenbergs entsprochen worden sei, ist das politisch verständlich, aber in der Sache schief.

Guttenberg verwahrt sich dagegen, als Plagiator bezeichnet zu werden. Der Begriff setze voraus, "dass man bewusst oder vorsätzlich getäuscht haben soll", sagte er. Stimmt das?

Nein. "Plagiat" ist kein echter Rechtsbegriff. Er ist nicht nur für Fälle reserviert, in denen vorsätzlich abgeschrieben wurde. Zwar gibt es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1960, die bewusstes Handeln als Kriterium nennt. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Plagiat aber jede "Nachahmung einer fremden Leistung" verstanden, wie das Oberlandesgericht Köln 2002 betonte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof verwarf 2008 den Einwand einer Klägerin, sie habe "nach bestem Wissen und Gewissen" ihre Doktorarbeit geschrieben. Doktoranden müssten die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens bekannt sein. Der Münchner Experte Volker Rieble ist sich sicher: Man dürfe Guttenberg weiter einen Plagiator nennen.

Das Urheberrecht

Wird Guttenbergs Dissertation weiter von der Universität untersucht?

Ja. Der Entzug des Doktorgrads enthebt die Hochschule nicht von ihrer Aufgabe, den Fall umfassend zu prüfen. Dies liegt nun in Händen einer Kommission, die am Ende auch zu der Frage Stellung nehmen könnte, ob sie von einer vorsätzlichen Täuschung ausgeht.

Wie düpiert sich manche der Bayreuther Professoren fühlen, wird am Fall von Oliver Lepsius deutlich. Der Staatsrechtler hält Guttenberg für einen Betrüger. "Wir fühlen uns getäuscht", sagte Lepsius der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Wir sind einem Betrüger aufgesessen." Lepsius, seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Allgemeine und Vergleichende Staatslehre, fügte mit Blick auf den Ruf der Fakultät hinzu: "Wir gehören zu den zehn besten rechtswissenschaftlichen Fakultäten in Deutschland."

Hat Guttenberg das Urheberrecht verletzt?

Einschlägig ist Paragraph 106 des Urheberrechtsgesetzes, der die unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke bestraft - mit einer Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu drei Jahren. Es handelt sich dabei um ein eingeschränktes Antragsdelikt. Das heißt: Der Verletzte muss einen Antrag stellen oder die Staatsanwaltschaft muss ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejahen. Die Strafverfolgungsstatistik weist für das Jahr 2009 229 Personen aus, die wegen Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz verurteilt worden sind.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: