Rechte von Berufsanfängern:Darf ich in der Probezeit Urlaub nehmen?

Es ist Sommer, die Kollegen verschwinden in die Ferien und Berufsanfänger bleiben im Büro - schließlich steht ihnen in der Probezeit kein Urlaub zu. Oder doch? Juristin Ina Reinsch antwortet.

SZ-Leser Bastian P. fragt:

Ich habe am 1. Juni einen neuen Job angetreten und befinde mich noch in der Probezeit. In meiner Abteilung haben natürlich alle Kollegen längst ihren Sommerurlaub angemeldet. Was das Arbeitsaufkommen betrifft, sieht es so aus, dass ich bis September keinen Tag frei nehmen kann. Da meine Schwester im August in England heiratet, möchte ich aber unbedingt ein paar Tage Urlaub nehmen. Gibt es einen anteiligen Urlaubsanspruch in der Probezeit? Falls ja, wird dieser Urlaub in der Praxis auch in Anspruch genommen?

Ina Reinsch antwortet:

Lieber Herr P., das Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass Arbeitnehmer den vollen Urlaubsanspruch erst nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erwerben (§ 4). Das fällt in der Regel mit dem Ablauf der Probezeit zusammen. Nach dieser Wartezeit könnten Sie theoretisch den kompletten Jahresurlaub nehmen. Wie hoch er ist, regelt Ihr Arbeitsvertrag, ein eventuell anwendbarer Tarifvertrag oder, falls es keine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung gibt, das Bundesurlaubsgesetz. Dort sind für eine Fünf-Tage-Woche als Mindesturlaub 20 Tage pro Jahr vorgesehen.

Was viele Arbeitnehmer jedoch nicht wissen: Auch während der Probezeit können sie schon einen Teil ihres Urlaubs nehmen. Rein rechtlich steht Ihnen für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ein Zwölftel Ihres Jahresurlaubs zu. Das regelt § 5 Absatz 1 Bundesurlaubsgesetz. Da Sie im August, wenn Sie zur Hochzeit Ihrer Schwester reisen möchten, bereits zwei Monate in Ihrem neuen Job sind, könnten Sie schon einige Tage freinehmen. Wie viel genau, hängt von der Zahl Ihrer Urlaubstage pro Jahr ab.

Allerdings kann im Arbeitsvertrag auch vereinbart werden, dass während der Probezeit kein Urlaub genommen werden darf. Voraussetzung für die freien Tage ist in jedem Fall, dass Sie einen Urlaubsantrag stellen und dieser genehmigt wird. Denn über den Urlaub entscheidet der Arbeitgeber. Zwar sehen viele neue Mitarbeiter von Urlaub in der Probezeit ab. Mit einem triftigen Grund wie bei Ihnen ist es aber auch nichts Ungewöhnliches. Ablehnen darf der Chef Urlaub nur, wenn Ihrem Ferienwunsch im Einzelfall dringende betriebliche Belange entgegenstehen.

Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Großauftrag hereinkommt oder in diese Zeit der Jahreshauptauftrag eines Betriebs fällt. Großes Arbeitsaufkommen allein genügt aber nicht. Der Arbeitgeber kann einen Urlaubsantrag allerdings auch dann ablehnen, wenn die Wünsche anderer Mitarbeiter vorrangig sind. Wollen verschiedene Mitarbeiter zur selben Zeit freinehmen, muss der Chef nach sozialen Gesichtspunkten entscheiden. Dazu zählen etwa schulpflichtige Kinder, berufstätige Ehepartner oder die Verteilung des Urlaubs in den vergangenen Jahren.

Da Sie Ihre Arbeit im Unternehmen erst im Juni begonnen haben und die Ferien Ihrer Kollegen bereits genehmigt sind, kann es Ihnen durchaus passieren, dass Ihr Urlaubswunsch abgelehnt wird, weil Sie tatsächlich unabkömmlich sind. Das müsste aber im Einzelfall geprüft werden. Dabei müsste Ihr Arbeitgeber auch berücksichtigen, dass Sie nicht einfach ein paar Tage frei haben wollen, sondern zur Hochzeit Ihrer Schwester reisen, was unter sozialen Gesichtspunkten besonderes Gewicht haben dürfte.

Selbst beurlauben sollten Sie sich auf keinen Fall. Ein solches Verhalten kann der Grund für eine fristlose Kündigung sein. Als letzte Möglichkeit bliebe noch die Klage: Weigert sich der Arbeitgeber, dem Mitarbeiter Urlaub zu genehmigen, kann dieser beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung beantragen und den Urlaubsanspruch gerichtlich durchsetzen.

Ina Reinsch hat Jura in München und Zürich studiert. Heute lebt sie als Rechtsanwältin, freie Journalistin, Buchautorin und Referentin in München und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Arbeitsrecht.

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