Lohngefälle zwischen den Geschlechtern:Von Mäusen und Männern

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Er macht Karriere, sie den Haushalt - ein uraltes Klischee, das selbst im Jahr 2013 noch häufig zutrifft. Obwohl Frauen oft die bessere Ausbildung haben, existiert zwischen den Geschlechtern ein deutliches Lohngefälle.

Von Viktoria Großmann

Als das Statistische Landesamt im Dezember verkündete, dass die Löhne in Bayern im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent gestiegen seien, war das nur die halbe Wahrheit. Die Statistiker hatten errechnet, dass bayerische Arbeitnehmer im Schnitt 3542 Euro verdienen. Die ganze Wahrheit ist: Männer verdienen 3618 Euro. Frauen 2809. Also 809 Euro weniger oder 22,4 Prozent.

Damit ist die Lohnungleichheit in Bayern sogar noch eine Winzigkeit größer als im deutschen Durchschnitt, der bei 21,6 Prozent liegt. Im Vergleich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) liegt Deutschland damit gleich hinter Südkorea und Japan. Und über dem EU-Durchschnitt von 17 Prozent.

Die Ursachen scheinen auf der Hand zu liegen: Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit und sind seltener Chef. Und wenn sie mal Chef sind, dann in kleineren Betrieben, in denen die Chefin nicht soviel Gehalt bekommt. Deshalb verdienen selbst weibliche Chefs weniger als männliche.

Die arbeitsfreie Zeit ist nicht nur fröhliches Familienleben

Was aber ist die Ursache der Ursache? Was sind die eigentlichen Gründe dafür, dass Frauen in Bayern im Jahr 2013 weniger verdienen als Männer? Wollen die Frauen nicht? Oder wollen sie zu viel? Nämlich zum Beruf auch noch Kinder?

Tatsächlich arbeiten zwei Drittel der berufstätigen Mütter zwischen 25 und 54 Jahren in Deutschland in Teilzeit, in Bayern waren es 2011 47,6 Prozent aller berufstätigen Frauen. Die arbeitsfreie Zeit ist aber nicht nur fröhliches Familienleben, Statistiker nennen es "unbezahlte Arbeit". Die OECD versteht darunter Hausarbeit wie Kochen, Waschen, Putzen, Rasenmähen und das Kümmern um die Kinder - kurz: Arbeit, die auch eine bezahlte Haushaltshilfe erledigen könnte. Deutsche Frauen verbringen damit laut einer OECD-Studie von 2011 durchschnittlich viereinhalb Stunden am Tag - Männer nur zwei und eine dreiviertel Stunde.

Die bayerischen Statistiker haben indes auch erhoben, wie viele Menschen unbezahlt in Familienbetrieben mitarbeiten. Demnach helfen 24.000 Männer unbezahlt in Familienbetrieben mit - alte Männer wohlgemerkt, alle sind über 65. Hingegen arbeiten 55.000 Frauen unentgeltlich mit, die meisten davon - 29.000 - im besten Alter zwischen 40 und 60. Die Meinung, dass Frauen ein eigenes Geld zusteht, hat sich hier anscheinend noch nicht durchgesetzt.

Nun mag eine unbezahlte Arbeitskraft ganz im Sinne des Betriebswirts sein, jedoch müssten Volkswirten angesichts ungenutzter Potenziale und überflüssiger Ausbildungen die Haare zu Berge stehen. Denn eines ist so deutlich wie der Gehaltsunterschied: An der mangelnden Bildung der Frauen liegt es nicht.

Im Gegenteil: Mehr als die Hälfte der Abiturienten in München und den umliegenden Landkreisen sind weiblich. An der LMU waren zum Wintersemester 62 Prozent der Studierenden Frauen, an der Technischen Universität sind es immerhin ein Drittel. Rund zehn Prozent aller Arbeitnehmerinnen haben einen Hochschulabschluss, genauso viele wie Männer. Warum also verdienen die Frauen nicht genauso viel?

Es gibt Geschichten, die legen nur einen einzigen Schluss nahe: Weil sie eben Frauen sind. Eine Geschichte wie die von Anna Berger. Ihren wahren Namen und Arbeitgeber möchte sie nicht preisgeben, schließlich macht sie ihre Arbeit gern. Trotzdem fühlt sie sich klar benachteiligt.

Anna Berger hat als Jahrgangsbeste an ihrer Fachhochschule (FH) ein Studium der Architektur abgeschlossen. Als sie in einem Münchner Großunternehmen eine Stelle als Projektleiterin antrat, wurde sie dort eine Gehaltsstufe tiefer eingruppiert als andere Einsteiger - angeblich, weil sie nur einen FH-Abschluss hatte. Berger arbeitete sich hoch: wurde stellvertretende Abteilungsleiterin, übernahm schließlich die Leitung - jedoch nur kommissarisch. Unterdessen hatte sie noch einen Universitätsabschluss in Betriebswirtschaftslehre gemacht, wieder mit 1,0. Ihrem Gehalt half das nicht auf die Sprünge und auch nicht der Karriere. Die Leitung ihrer Abteilung übernahm nun ein Mann.

Nicht wenige Frauen lassen sich von so etwas entmutigen. Die Folge ist, dass sie sich lieber auf Kinder und Familie konzentrieren, um dem zermürbenden Kampf um die Karriere zu entkommen. Damit zementieren sie den Status Quo.

Ganztagesbetreuung sichert Vollzeitbeschäftigung

Doch vielen fehlt nicht nur die Lust auf Machtspiele, sondern manchmal auch die Zeit für Tratsch. Das sagt Gertrud Schmidt-Podolsky. Die 60-Jährige ist Gründungsmitglied der Frauen-Union im Landkreis Dachau und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Gleichstellung. Dass es mit der Lohngleichheit nicht vorangeht, sagt Schmidt-Podolsky, liege auch daran, dass die Interessen der Frauen auch bei Arbeitnehmerverbänden und Gewerkschaften zu wenig Beachtung fänden. Sich dort zu engagieren, sagt Schmidt-Podolsky, koste aber viel Zeit. Zeit, die Frauen mit Beruf und Familie und Haushalt häufig nicht hätten.

Genauso fehle ihnen oft die Zeit zum Pausentratsch oder zum Feierabendbier. Wer Teilzeit arbeite, nehme sich oft keine Zeit für eine Pause. Und eine Frau, die nach der Arbeit ihr Kind abholen muss, bleibt nicht auf ein Bier.

Liegt es also doch an der Politik? An einer bayerischen Politik, die für ganz Deutschland ein Betreuungsgeld durchgesetzt hat? 150 Euro für 135 Stunden unbezahlte Arbeit im Monat und ein Kind zu Hause, statt in einer kommunalen Kita. Die Ganztagsbetreuung in Kinderkrippe, Kindergarten und Schule sichert jedoch, auch das zeigen die Statistik und die Geschichte, die Vollzeitbeschäftigung der Frauen - früher in der DDR und heute in Frankreich oder Norwegen.

Doch bayerische Politiker sprechen von Wahlfreiheit. Einer Wahlfreiheit, die junge Leute nicht haben. Etwa 19 Prozent der arbeitslosen Frauen sind Alleinerziehende. Viele von ihnen müssen in München Stellenangebote abweisen oder können nach dem Ende der Elternzeit nicht an ihren Platz zurückkehren, weil sie keinen Betreuungsplatz für ihr Kind haben. Die Bundesarbeitsagentur spricht von "spezifischen Problemen, die auch im Zusammenhang mit persönlichen oder familiären Verpflichtungen zu sehen sind".

Gertrud Schmidt-Podolsky sieht das Problem nicht nur in fehlenden Krippenplätzen. "Die Arbeitgeber müssen umdenken", sagt sie. Wenn alle 30 Stunden arbeiteten, hätten alle mehr Zeit für die Familie. Und schließlich würde die Teilzeitarbeit, wenn auch Männer sie machten, ihr schlechtes Ansehen verlieren. Schmidt-Podolsky deutet damit noch einen und vielleicht den wichtigsten Grund für die Lohnungleichheit an: Frauenarbeit wird weniger wertgeschätzt.

© SZ vom 07.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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