Kommentar:Zu viel Zeit für Kinder

Die Wirtschaft mault über die Familienpolitik. Gleichzeitig hat sie jungen Eltern wenig zu bieten.

Von Cathrin Kahlweit

Regierung und Opposition sind sich normalerweise selten einig; selbst so genannte Jobgipfel, auf denen Kooperation zum Wohle der Arbeitnehmer suggeriert wird, erweisen sich schnell als Gipfel der Heuchelei. Nach den Einlassungen des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt vom Mittwoch in Berlin allerdings herrschte seltene Harmonie zwischen Rot-Grün und der Union: Hundt hatte, sinnigerweise auf einer Konferenz mit dem schönen Titel "Familie - ein Zukunftsfaktor für die Wirtschaft", angeregt, die Elternzeit (früher als Erziehungsurlaub bekannt), auf ein Jahr zu verkürzen. Junge Eltern müssten schneller wieder ins Arbeitsleben integriert werden; und für die Firmen sei es zu aufwändig, drei Jahre lang Stellen vorzuhalten. Nun ist die Empörung bei allen Parteien groß: Mit einer solchen Verkürzung werde die Wahlfreiheit von Frauen in Frage gestellt; die Jobgarantie sei ein Kernstück der Familienpolitik, Mütter sollten nicht benachteiligt werden.

Familie

Die Freiheit, bei den Kindern zu bleiben: Bislang nutzen Väter kaum die Möglichkeiten der "Elternzeit".

(Foto: Foto: photodisc)

Diese scharfen Reaktionen dürften die Arbeitgeberseite überrascht haben. Denn es steht zu vermuten, dass man sich beim BDI mit der Kritik an der - im europäischen Vergleich - langen Babypause durch einen Zeitgeist abgesichert sah, der schon seit einer Weile Sinn, Finanzierung und Konstruktion der Auszeit für Eltern in Frage stellt. Die Familienministerin selbst hatte im vergangenen Jahr die Einführung eines lohnabhängigen Elterngeldes vorgeschlagen, das nur für etwa ein Jahr gezahlt werden soll. Und die Bundesregierung hatte immer wieder Schweden und Dänemark als Vorbilder für die eigene Familienpolitik genannt, wo die Elternzeit viel kürzer ist als in Deutschland.

Allerdings: Die Arbeitgeber rund um ihren Präsidenten Dieter Hundt müssen diese Signale grundlegend falsch verstanden haben. Man kann zwar über die Verkürzung der bezahlten Elternzeit diskutieren - aber Mütter müssen nach wie vor die Freiheit haben, bis zu drei Jahre lang bei ihren Kindern zu bleiben, ohne ihre Stelle zu verlieren. Schon jetzt ist es so, dass unter dem Druck des Arbeitsmarktes viele Frauen freiwillig nur einige Monate Elternzeit beantragen, weil sie Angst um ihr berufliches Fortkommen haben. Das gilt umso mehr für Männer, die sehr selten Erziehungsurlaub nehmen, weil sie den Verlust von Karrierechancen und persönlichem Ansehen befürchten.

Schon jetzt sind ja reichlich Studien auf dem Markt, die anhand von soliden Zahlen belegen, wie viel Geld Betriebe einsparen, wenn sie ernsthaft Familienförderung betreiben. Dazu gehören auch Angebote für Eltern in der Babypause, die sich letztlich rechnen: Kontakt- und Wiedereinstiegsprogramme, Teilzeitangebote, Arbeitszeitflexibilität, Telearbeit, betrieblich gestützte Kinderbetreuung. Wenn das gegeben ist, kehren Mütter gern früher aus der Elternzeit zurück und übernehmen auch während der Babypause ein gewisses Arbeitspensum im Betrieb. Ein paar große Unternehmen haben das erkannt, aber die meisten handeln nach dem Prinzip: Alles, was kurzfristig keinen Nutzen bringt, kann ich mir langfristig nicht leisten.

Dieter Hundt hat auch gesagt: Für Kinder unter drei Jahren fehlten 1,2 Millionen Betreuungsplätze. Und: Die bisherige Familienförderung von 150 Milliarden Euro habe weder zu mehr Geburten noch zu einer besseren Integration von Eltern in den Arbeitsmarkt geführt. In diesen Punkten hat Hundt zweifelsohne Recht, aber auch hier muss der Arbeitgeberpräsident etwas falsch verstanden haben: Kinder kriegt nicht der Staat, Kinder werden von Menschen in die Welt gesetzt, die in ihren Firmen gute Bedingungen vorfinden, Familie und Beruf zu verbinden. Das Programm "Allianz für die Familie", an dem sich neben Politik und Gewerkschaften auch die Wirtschaft beteiligt, ist nur dann etwas wert, wenn deren Engagement sich nicht auf ein paar Vorzeige-Firmen beschränkt.

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