Kirchen fehlt der Nachwuchs:Pfarrerfang mit kuriosen Mitteln

Von Priester bis Personaler:Theologen sind in vielen Jobs gefragt

Auch der evangelischen Kirche fehlt der Nachwuchs an vielen Orten.

(Foto: dpa-tmn)

Nicht nur bei den katholischen Priestern sieht es beim Nachwuchs schlecht aus. Auch die evangelischen Kirchen klagen über viel zu wenige Pfarramtsstudenten. Die Kirche buhlt nun um Schüler, Studenten - und gestandene Akademiker.

Daniel Lenski

In Deutschland gibt es derzeit 5426 evangelische Pfarramtsstudenten. Das klingt viel, ist es aber nicht. Das laute Klagen über Pflichtzölibat und den Ausschluss der Frauen von der Priesterweihe erweckte lange den Eindruck, Pfarrermangel gebe es nur bei den Katholiken. Doch nun erkennen langsam auch die 20 evangelischen Landeskirchen: Sie haben ein Nachwuchsproblem.

So wird in vielen Regionen zwischen den Jahren 2017 und 2027 die Hälfte der Geistlichen in den Ruhestand gehen. Genug Absolventen, um die Lücken zu füllen, sind bei Weitem nicht in Sicht. Es werden zwar Pfarrstellen wegfallen, weil die Einnahmen aus der Kirchensteuer zurückgehen; doch selbst dies wird den drohenden Predigermangel nicht stoppen. Der Bedarf an jungen Leuten, die den Gang auf die Kanzeln wagen, wächst also - und das lässt die Kirchenoberen kreativ werden.

Der Job von Christiane de Vos ist es, genau solche Menschen zu finden. Seit einem knappen Jahr ist die Hamburger Pastorin "Projektbeauftragte" für Nachwuchsgewinnung in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. In diesem riesigen Gebiet reist die bodenständige Pfarrerin seitdem unentwegt herum, spricht mit Schulklassen und besucht Universitäten. Ein Internetauftritt für Interessierte ist entstanden, auch die Scheu vor sozialen Medien hat die Kirche überwunden: "Durch Facebook bekomme ich nun schon jede Woche neue Anfragen", sagt de Vos.

Auch in Hessen-Nassau geht man neue Wege. Die gerade für die Theologensuche ausgeschriebene Pfarrstelle verlangt eigentlich einen Fachmann für Kommunikation und Werbung. Sogar die Kinoleinwand will man nutzen. Neben Anzeigen in Jugendmagazinen und Universitätszeitungen sollen Spots die Abiturienten in Taunus und Odenwald für den Beruf begeistern. Die Reformierten in der Schweiz haben das vor Jahren schon mal ausprobiert. Sogar den passenden Klingelton aufs Handy konnte man sich damals herunterladen.

In Süddeutschland hat man unterdessen die Berufsmessen für sich entdeckt. Zwischen Autobauern und Pharmakonzernen wirbt nun auch der Oberkirchenrat für die Kirche als Arbeitgeber. Zudem profitiert man gerade in Baden-Württemberg vom landeskirchlichen Föderalismus: Das Gehalt von Pfarrern und Vikaren weicht in Deutschland deutlich voneinander ab. Im Westen ist es höher als im Osten, im Süden höher als im Norden. Auch nichttheologische Ehepartner finden in Karlsruhe oft leichter Beschäftigung als in Schwerin.

Wegen der Personalnot geraten sogar ältere Semester in den Blick. In Marburg wurde ein Master für Berufstätige eingeführt, die bereits ein akademisches Studium hinter sich haben. In drei Jahren kann hier Theologie im Schnelldurchgang draufgepackt werden. Passend dazu weichen die Kirchen die bisherigen Altersgrenzen für Neuzugänge im Beruf auf. Weitere Baustelle: Bundesweit hat sich aktuell weniger als die Hälfte der eingeschriebenen Studenten der Evangelischen Theologie als potenzieller Pfarrernachwuchs bei der Kirche registriert - viele streben mit dem Abschluss wahrscheinlich andere Berufe an.

Dass auch die Kirchen selbst für den absehbaren Pfarrermangel Verantwortung tragen, gibt Theologen-Werberin Christiane de Vos unumwunden zu. "Als ich von der Universität kam, hätte sich die Kirche gefreut, wenn ich dort nicht angefangen hätte. Lange Zeit hat man uns signalisiert: Studiert lieber etwas anderes!" In Hessen-Nassau hatte man sich als Kirche noch vor gut zehn Jahren sogar aus der Verpflichtung herausgekauft, ausgebildete Vikare in ein Dienstverhältnis zu übernehmen. Die Zeiten haben sich aber geändert. Nun versichert der Kirchenpräsident auf der dafür eigens geschaffenen Homepage: "Die Kirche braucht engagierte junge Menschen, die in ihr Dienst tun und Zukunft gestalten wollen: Pfarrerinnen und Pfarrer aus Leidenschaft!"

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