Inkubatoren für Start-ups:Erlebnispark für Gründer

Wer eine Geschäftsidee, aber kein Geld und kein Büro hat, kann sich bei Inkubatoren bewerben. Von diesen Brutkästen für junge Firmen erhoffen sich Investoren hohe Gewinne. Der Telekom-Konzern Telefónica hat nun einen in München eröffnet.

Björn Finke

Das ist fast schon Feierstress: Am Dienstagmorgen wurde die Aktie des Mobilfunkkonzerns Telefónica Deutschland erstmals an der Frankfurter Börse gehandelt. Der Kurs stieg, trotz hässlicher Berichte über Geschäfte mit Kundendaten. Bereits am Abend vorher hatte das Unternehmen mit der Marke O2 zur Eröffnung seines Inkubators für junge Internet- und Handyfirmen geladen.

In der Büroetage an Münchens Einkaufsmeile Kaufingerstraße stießen 150 Gründer, Investoren, Manager und Berater auf diesen Brutkasten für Geschäftsideen an. Sie stießen auf die Wayra Academy an, so ist der Name der Einrichtung.

Tüftler können dort ein halbes Jahr an ihren Projekten arbeiten und erhalten bis zu 50.000 Euro. Im Gegenzug kann Telefónica einen Anteil an den Firmen erwerben. Schlägt die Idee ein, steigt dessen Wert rasant, und der Konzern kann den Anteil versilbern. Wagniskapital oder Venture Capital heißt das Modell: Gönner unterstützen Gründer und bekommen dafür Anteile.

Noch einen weiteren Grund zu feiern hat Lukas Steinbacher. Aber dadurch auch mehr Arbeit. Der Österreicher ist einer von zwei Gründern der Start-Up-Firma Cleverlize, die bei Wayra Unterschlupf gefunden hat. In sechs Wochen präsentiert das Duo seine Geschäftsidee vor Investoren in Miami. "Wir waren gerade mal eine Woche bei Wayra eingezogen, da hieß es schon: Bewerbt euch für Miami", sagt der frühere Unternehmensberater. Das war erfolgreich - "nun bereiten wir die Präsentation vor". Das Duo will ein einfach zu bedienendes Programm auf den Markt bringen, mit dem Lehrer Unterrichtsmaterial in Apps verwandeln können, Mini-Programme für Handy und Tablet-Rechner. Auf dass Schüler selbst in der U-Bahn pauken.

Der offizielle Startschuss wurde Montagabend gegeben, doch die ersten Firmen zogen schon Anfang des Monats bei Wayra ein, und Seminare fanden ebenfalls schon statt. Neben Cleverlize beherbergt der Brutkasten sieben weitere Gründerteams aus dem Internet- und Handybereich, jedes mit bis zu vier Mitgliedern. Die Tüftler - die meisten Mitte bis Ende 20 - teilen sich eine 1026 Quadratmeter große Büroetage mit Blick auf die Frauenkirche. Einzelzimmer gibt es keine, stattdessen ein Großraumbüro, in dem jede Gruppe ihre Ecke hat. Die Entwickler sitzen mit Laptops an Tischgruppen, zu hören sind nur Tastaturgeklapper und leise Gespräche.

Die Bereiche der Teams grenzen bunte Stellwände voneinander ab, an denen Konzeptzeichnungen hängen oder auch mal das Fahrrad eines Gründers lehnt. In dem Raum finden zudem eine Küchenzeile mit einem langem, zum gemeinsamen Essen einladenden Tisch Platz, ein Mini-Hörsaal für Vorträge - Agora genannt - und eine Tischtennisplatte. Eine Sprossenwand dient der Rückengesundheit: So sieht also ein Erlebnispark für IT-Fachkräfte aus.

Für den Inkubator hatten sich 268 Gründer beworben, im August wählte eine Jury aus. Mit Hilfe von externen Beratern und Telefónica-Fachleuten sollen die Firmen ihre Produkte vorantreiben. Ist die Lösung marktreif, bekommen sie Zugang zu den weltweit 311 Millionen Kunden der Konzernmutter, der spanischen Telefónica-Gruppe. "Es gibt hier einen Workshop, da einen Workshop - das ist schon inspirierend", sagt Cleverlize-Chef Steinbacher. Auch der Austausch zwischen den Gruppen sei wichtig: Da sehe man, wie andere Probleme lösen, oder man gebe sich Tipps, etwa zu einem guten Steuerberater.

Wagniskapital für gute Ideen

Außerdem sollen die Teams in dem halben Jahr Investoren für eine Anschlussfinanzierung finden. Telefónica richtet deswegen Veranstaltungen wie jene im Dezember in Miami aus, bei denen Steinbacher und andere Tüftler ihre Projekte vor Geldgebern präsentieren. Im März startet dann die nächste Bewerbungsrunde für Wayra.

Die Gegenleistung: Für das Startkapital erwirbt Telefónica, die Nummer drei im deutschen Telekommarkt, eine Wandelanleihe an dem Minibetrieb. Die kann der Konzern drei Jahre lang in Firmenanteile umwandeln. Findet der Gründer eine Anschlussfinanzierung, etwa jemanden, der 100.000 Euro für 20 Prozent an dem Hoffnungswert zahlt, könnte Telefónica die 50.000-Euro-Anleihe entsprechend in einen 10-Prozent-Anteil eintauschen. Kann sich der Tüftler hingegen keinen Sponsor für die Zeit nach Wayra angeln und muss sein Projekt beerdigen, wird Telefónicas Wandelanleihe wertlos. Im Wort Wagniskapital steckt eben der Begriff Wagnis.

In dem Geschäft sind vor allem Banken, Versicherer und Fonds aktiv, aber auch Konzerne wie Siemens, SAP, RWE, Telefónica oder die Deutsche Telekom. Anders als den Finanzinvestoren geht es diesen Unternehmen nicht bloß um Wertsteigerungen der Beteiligungen - sie wollen sich frühzeitig bei innovativen Gründern ihrer eigenen Branche einkaufen.

"Wir fragen uns bei den Start-Ups für Wayra immer: Wie können die Telefónica beflügeln?" sagt Tanja Kufner, die Direktorin des Münchner Inkubators. "Telefónica kann nicht alle Innovationen selbst entwickeln." Das Unternehmen hat ein Vorkaufsrecht an den Produkten der Tüftler. Außerdem bietet bei Interesse auch Telefónica eine Anschlussfinanzierung an und kann so weitere Anteile an den Firmen erwerben. Weltweit betreibt der Konzern inzwischen zwölf dieser Brutkästen, der erste wurde im August 2011 in Kolumbien eröffnet.

Der Branchenprimus hierzulande, die Deutsche Telekom, hat ebenfalls einen Inkubator gestartet, er heißt Hubraum und sitzt in Berlin. Die Telekom-Tochter T-Venture gehört außerdem zu den weltweit größten Wagniskapitalgesellschaften, die im Besitz von Industriekonzernen sind. Dass gerade Telekom-Unternehmen in Internetgründer investieren, ist kein Wunder. Sie geben Milliarden für Sendemasten oder Glasfaserkabel aus, damit die Kunden zuhause oder unterwegs schön schnell im Internet surfen können. Doch das große Geld online machen Web-Konzerne wie Facebook oder Google, während die Telekomfirmen im Stammgeschäft mit Telefon- und Handygesprächen immer weniger verdienen.

Deswegen wollen nun die Telekoms und Telefónicas dieser Welt ebenfalls mit Internetanwendungen und Handyprogrammen wachsen - und hoffen dabei auf die Geistesblitze der Gründer. "Wir möchten die Kreativität der Start-Ups nutzen", sagt René Schuster, Deutschlandchef von Telefónica, zum Thema Wayra. "Wir müssen viel mehr Innovationen von außen in den Konzern bringen", sagt René Obermann, Chef der Deutschen Telekom, zum Thema Beteiligungen. Zwei Renés, ein Gedanke.

Das Produkt von Cleverlize, das Programm, das ganz einfach Lern-Apps fabriziert, soll Ende November fertig sein und ins Internet gestellt werden. Telefónica könne beim Vertrieb helfen und auch Server zur Verfügung stellen, sagt Wayra-Direktorin Kufner. Kurz darauf wird Gründer Steinbacher von Investoren in Miami gegrillt. Vielleicht gibt es dann ja wieder gleich mehrere Anlässe zum Feiern.

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