Erfolglose Jobsuche:Wie der Fachkräftemangel Bewerber frustriert

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Von wegen Kampf um die Köpfe: Die Wirtschaft beschwört den demografischen Wandel und den damit einhergehenden Verlust von gut ausgebildeten Arbeitskräften. Das steht in krassem Gegensatz zu dem, was manche hochqualifizierten Bewerber bei der Jobsuche erleben.

Nicola Holzapfel

850 Euro brutto für einen Vollzeitjob, das war das erste Gehaltsangebot für Sebastian Veith. Er ist promovierter Geisteswissenschaftler und bewarb sich um die Position eines PR-Referenten in Berlin. "Es gibt unzählige andere, die wir genauso gut einstellen können", begründete der Personaler das niedrige Gehalt. 500 Bewerbungen hat der 30-Jährige in den vergangenen zwei Jahren geschrieben. Dass der Berufseinstieg so hart werden würde, hätte er nicht gedacht. Er arbeitet derzeit in Berlin auf freiberuflicher Basis für 1600 Euro brutto und sucht weiter nach einer festen Stelle.

Als der 40-jährige Markus Schmidt sich auf Jobsuche machte, ging er davon aus, schnell etwas zu finden. "Ich kam von einem großen renommierten Unternehmen, hatte dort eine wichtige Position, habe einen guten Lebenslauf. So schwer hatte ich mir das nicht vorgestellt." Elf Monate lang war er arbeitslos. "Ich habe Glück gehabt", sagt er heute. Er hat wieder eine Stelle als Marketing-Manager.

Das Wort "Fachkräftemangel" löst bei vielen Bewerbern Unverständnis aus. Es passt nicht zu dem, was sie bei der Jobsuche erleben. Zwar ist viel davon die Rede, doch "aktuell zeigt sich kein flächendeckender Fachkräftemangel in Deutschland", schreibt die Bundesagentur für Arbeit.

Alexander Kubis vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) erklärt: "Nicht jeder Beruf ist gefragt." Engpässe gebe es nur in einzelnen Bereichen, bei Elektroingenieuren zum Beispiel sind mehr freie Stellen als Arbeitssuchende gemeldet, dasselbe gilt für Ärzte und Altenpfleger. Im Schnitt kommen in Deutschland auf eine Stelle 3,2 Jobsuchende. Bei der Diskussion um den Fachkräftemangel geht es vor allem um den Blick in die Zukunft - um die Angst, dass künftig aufgrund der demografischen Entwicklung Personal fehlen könnte.

Auch der Elektroingenieur Helmut Rasch sucht seit zwei Jahren nach einem Job. Er hat nichts dagegen, dass sein echter Name in der Zeitung veröffentlicht wird. Die Namen der anderen Jobsuchenden in diesem Artikel wurden auf ihren Wunsch hin geändert. Rasch bewirbt sich bundesweit im Bereich erneuerbare Energien und Elektromobilität. Er hat inzwischen 158 Bewerbungen geschrieben und 24 Vorstellungsgespräche gehabt, doch geklappt hat es bislang nicht. Mittlerweile lebt er von Hartz IV. Rasch glaubt, dass die Firmen immer jemanden suchen, der noch besser passt, und nicht bereit sind, in einen neuen Mitarbeiter zu investieren, indem sie ihn einarbeiten.

"Jede Bewerbungssituation ist anders", sagt Alexander Kubis vom IAB. In der regelmäßigen IAB-Betriebsbefragung sieht er zwar, dass es für einige Unternehmen schwieriger geworden ist, bestimmte Positionen zu besetzen. "Aber in der Regel gelingt es den meisten Unternehmen nach wie vor, ihre offenen Stellen adäquat zu besetzen." Juliane Brauer von der Personalberatung Alma Mater vermittelt Hochschulabsolventen, auch an Unternehmen, die dringend Personal benötigen. Sie sagt: "Es gibt Firmen, die sich schwertun, nach links und rechts zu sehen. Manchmal gäbe es vielleicht einen brauchbaren Plan B."

Die Fremdsprachensekretärin Brigitte Hoch sucht seit sechs Monaten einen neuen Job: "Ich kann mir nicht erklären, warum ich nichts finde. Die nötigen Qualifikationen habe ich doch." Sie ist 39 Jahre alt, hat 15 Jahre Berufserfahrung. Ihr Jobberater in der Arbeitsagentur vermutet, dass sie für überqualifiziert gehalten wird. Sie selbst überlegt, ob nicht Jüngere bevorzugt werden, und denkt nun darüber nach, sich selbständig zu machen.

"Die Frage ist doch: Über wen sprechen wir? Manche Kandidaten können es sich aussuchen. Ein Informatiker mit Bachelor und guten Programmierkenntnissen findet sofort 20 Firmen, die ihn einstellen", sagt Personalberaterin Brauer, selbst Geisteswissenschaftlerin. Dafür werden der Nachwuchskraft dann auch mal 50 000 Euro Einstiegsgehalt gezahlt.

Zwei Welten, die nicht zueinanderpassen: Alle Jobsuchenden, die für diesen Artikel befragt wurden, berichten, dass sich Unternehmen sehr viel Zeit ließen, der Großteil überhaupt nicht auf Bewerbungen reagiere und manche Positionen alle paar Wochen neu ausgeschrieben würden. Fast jeder habe auch schon in einem Vorstellungsgespräch gesessen, das von Arbeitgeberseite sehr desinteressiert geführt worden sei.

Kurz: Die Unternehmensvertreter verhielten sich nicht so, als müsste dringend eine Stelle besetzt werden oder als habe man es nötig, Bewerber gut zu behandeln. Brauer hat die Erfahrung gemacht, dass selbst Unternehmen, die eilig jemanden einstellen wollen, in dieser Hinsicht Nachhilfe brauchen. Sie warnt davor, Bewerbern das Gefühl zu geben, Bittsteller zu sein. "Arbeitgeber sollten Bewerbern auf Augenhöhe gegenübertreten und sie wertschätzend behandeln. Dazu gehört auch, sich nach Erhalt einer Bewerbung zu melden und eine Absage zu schreiben." Ein frommer Wunsch?

Der 42-jährige Controller Klaus Meier hat mehrmals nachgefragt, warum er nicht genommen wurde. Eine offene Antwort hat er nie erhalten. "So weiß ich nicht, was ich hätte besser machen können. Es ist frustrierend, das über Jahre mitzumachen." Meier sucht seit 2009 und schreibt bis zu 170 Bewerbungen im Jahr. Inzwischen überlegt er, einen Job als Pförtner für 8,50 die Stunde anzunehmen, unbefristet und in Vollzeit. Seine vorige Stelle bei einer Zeitarbeitsfirma war befristet und kaum besser bezahlt. Für ihn ist klar: "Mit dem Arbeitsmarkt stimmt etwas nicht."

© SZ vom 15.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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