Bewertung vom Arbeitgeber:Soll ich mein Zeugnis selber schreiben?

Jedem Mitarbeiter steht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis zu - auch jedem Praktikanten. Vorgesetzte allerdings sind mitunter sehr unwillig, sich in die Welt der Arbeitszeugnisse zu vertiefen - und versuchen, die Arbeit abzuwälzen.

Das Problem taucht immer wieder auf: viele Vorgesetzte haben weder Zeit noch Lust, gerade Praktikanten ein qualifiziertes zeugnis zu schreiben - also eines, in dem die Leistungen der Arbeitnehmer nicht nur beschrieben, sondern auch bewertet werden.

SZ-Leserin Katrin S. fragt:

Ich mache gerade ein dreimonatiges Praktikum bei einem Fernsehsender. Nachdem ich bei meinem letzten Praktikum mehrere Monate gewartet habe, bis ich endlich ein Zeugnis bekam, habe ich meinen Chef jetzt schon ein paar Wochen vor Ende des Praktikums darauf angesprochen. Er wirkte ziemlich unwillig und sagte, ich solle das Zeugnis selbst schreiben und ihm vorlegen. Abgesehen von der Hemmung, mich selbst zu loben, habe ich auch keine Ahnung, wie man so ein Zeugnis korrekt formuliert. Mein Chef ist extrem beschäftigt, und ich will ihn nicht noch mal mit dem Thema behelligen. Was soll ich tun?

Christine Demmer antwortet:

Liebe Frau S., die Antwort wird Ihnen nicht gefallen. In Kurzform lautet sie so: Was Sie tun sollen, ist genau das, was Sie nicht tun wollen. Die Langfassung kann Sie hoffentlich davon überzeugen, Ihre Haltung zu ändern. Denn der Knackpunkt ist nicht das gedruckte und unterschriebene Blatt Papier. Es geht vielmehr um den Zeugnis-Inhalt und darum, wie man dazu kommt.

Sie möchten Ihre Leistungen während des Praktikums in ein möglichst positives Licht stellen. Dazu brauchen Sie ein sogenanntes qualifiziertes Zeugnis. Im Unterschied zu einem einfachen Zeugnis, in dem nur in ein, zwei Sätzen aufgeführt sein kann, was Sie von wann bis wann wo und mit welchem Ziel getan haben, beschreibt ein qualifiziertes Zeugnis eingehend Ihre Aufgaben und die Art und Weise, wie Sie sie erledigt haben. Der Betrachter eines solchen Zeugnisses kann sich ein weit besseres Bild von Ihnen machen als jemand, der einem einfachen Zeugnis kaum mehr als das liest, was auch in Ihrem Lebenslauf steht: "Katrin S. war von dann bis dann als Praktikantin in unserem Unternehmen tätig, um Einblicke in ihren künftigen Beruf zu gewinnen."

Nun zu dem, was Ihr Chef wahrscheinlich möchte. Falls er Sie nicht persönlich auf dem Kieker hat, will er sich mit Ihrem Zeugnis schlichtweg keine Arbeit machen. Viele Praktikanten werden mit einem einfachen Arbeitszeugnis verabschiedet. Das folgt festen Regeln, ist ratzfatz getippt und in einer Minute samt Unterschrift erledigt. In dieser knappen Zeit kann kein Mensch individuelle Formulierungen drechseln, die Ihre Leistungen und Ihr Verhalten während des Praktikums präzise auf den Punkt bringen. Hierfür gehen wenigstens zehn Minuten drauf, und die scheint Ihr Chef nicht auf Ihr Zeugnis verwenden zu wollen.

Die gute Nachricht: Laut Gesetz haben auch Praktikanten einen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis. Sie können sich also ein Bürgerliches Gesetzbuch unter den Arm klemmen, damit zu Ihrem Vorgesetzten marschieren und ihn so lange nerven, bis er sich letztlich bequemt. Die schlechte Nachricht: Wie, glauben Sie, wird Ihr Zeugnis ausfallen, wenn sich der Verfasser mit innerem Groll an den Computer setzen muss? Obwohl doch so viele wichtige Aufgaben auf ihn warten und er Ihnen doch solch eine goldene Brücke gebaut hat?

In Ihrem eigenen Interesse rate ich Ihnen: Gehen Sie darüber. Suchen Sie sich im Internet ein paar hübsche Textbausteine zusammen - füttern Sie die Suchmaschine mit "Praktikumszeugnis Beispiel" oder ähnlich -, bitten Sie eine branchenkundige Freundin oder Kollegin um Formulierungsbeistand und entwerfen Sie für sich ein Spitzenzeugnis. Wenn Sie es nicht übertreiben, wird Ihr Chef daran schon aus lauter Dankbarkeit kein Wort ändern.

Haben Sie auch eine Frage zu Bewerbung, Berufswahl, Etikette, Arbeitsrecht, Karriereplanung oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten beantworten ausgewählte Fragen im Wechsel. Ihr Brief wird selbstverständlich anonymisiert.

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