Arbeitsmarkt in China:Frauen unerwünscht

"Heiratsmaterial" für die männlichen Angestellten: Immer mehr Chinesinnen klagen darüber, dass sie bei der Arbeitsuche offen diskriminiert werden - egal wie qualifiziert sie sind.

Henrik Bork

Viele chinesische Staatsbetriebe und Ministerien stellen in diesem Herbst fast nur Männer ein. In Universitäten und auf den Internetforen von Studentinnen wird über die "wachsende Diskriminierung von Frauen" am Arbeitsmarkt geklagt. Viele Chinesinnen erfahren plötzlich, dass sie trotz eines Studiums und guter Noten keine Aussicht auf einen Job haben.

Arbeitsmarkt in China: Alles Studieren nützt nichts: Viele Chinesinnen bekommen trotz guter Noten keinen Job - weil sie Frauen sind.

Alles Studieren nützt nichts: Viele Chinesinnen bekommen trotz guter Noten keinen Job - weil sie Frauen sind.

(Foto: Foto: ddp)

Die 25-jährige Liu Zuolin in der Hafenstadt Tianjin machte diese Erfahrung am 11. Oktober. Vertreter eines großer Staatsbetriebes, der China Guangdong Nuclear Power, waren zur Rekrutierung neuer Mitarbeiter auf den Campus der Nankai-Universität gekommen, wie dies in China üblich ist. Liu Zuolin stand um sechs Uhr früh auf, schminkte und kleidete sich sorgfältig. Der Staatsbetrieb gilt als begehrter Arbeitgeber. Liu Zuolin hat angewandte Optik studiert - genau das Richtige für den Nuklearbetrieb. "Aber als ich mich bis vorne an den Stand durchgekämpft hatte, sagte man mir, ich sollte es besser woanders probieren. Ich wusste sofort, dass es um mein Geschlecht ging. Sie haben auch im letzten Jahr fast nur Männer eingestellt", sagt Liu.

Ähnliche Szenen spielen sich in diesen Wochen auf dem Campus vieler Universitäten ab. Studentinnen der Pekinger Elitehochschulen wie der Volksuniversität, der Peking-Universität oder der Hochschule für Politik und Recht klagen, dass Ministerien und Parteiorganisationen diesmal mit besonders schlechtem Beispiel vorangehen. Chinas Außenministerium stelle in diesem Jahr so gut wie keine Frauen ein, berichten mehrere Augenzeuginnen, die selbst abgelehnt worden sind.

Weder das Büro für Auswärtige Beziehungen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCH) wolle Bewerbungsmappen von Frauen annehmen, noch die sonst wegen ihrer guten Löhne beliebte Staatssicherheit. Eine Studentin, die sich am Stand des Zentralen Organisationsbüros der KPCH bewerben wollte, wurde besonders schroff abgewiesen. "Du bist viel zu klein", sagte man ihr ins Gesicht. "Wir stellen nur noch Frauen über 1,65Meter ein."

Es ist ein Trend, der in China seit Jahren zu beobachten ist, und der sich nun durch die Wirtschaftskrise zu verstärken scheint: Wenn Frauen überhaupt noch in großen chinesischen Betrieben oder Ministerien erwünscht sind, dann für schlechtbezahlte, einfache Tätigkeiten. Sie gelten, so die unausgesprochene Übereinkunft, immer häufiger nur als "Heiratsmaterial" für die männlichen Angestellten.

"Sparen Sie sich das Papier für die Bewerbungsmappe"

Da Chinas Gesetze jegliche Diskriminierung am Arbeitsplatz eindeutig verbieten, sind geschlechtsspezifische Einschränkungen seit einigen Jahren aus den veröffentlichten Stellenangeboten verschwunden. Jetzt werden viele Frauen daher erst mit eindeutigen Anspielungen im Bewerbungsgespräch darüber aufgeklärt, dass sie keine Chance haben. "Sparen sie sich besser das Papier für ihre Bewerbungsmappe", musste sich eine Pekinger Studentin vor wenigen Tagen anhören.

Viele seiner intelligentesten Studentinnen könnten nach ihrem Examen keine Arbeit finden, klagte Rao Zihe, der Präsident der Nankai-Universität, in einem Interview mit der Beijing Ribao. "Die Geschlechterdiskriminierung ist sehr ernst, und dies sogar bei der Einstellung von Beamten. Das macht mich wirklich traurig", sagte der Uni-Präsident. Einer Umfrage des chinesischen Frauenverbandes vom September zufolge fühlen sich 90 Prozent aller Studentinnen in Peking, Shanghai, Tianjin und Xian auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert. Frauen würden halt schwanger und verbrächten meist mehr Zeit mit der Kindererziehung als Männer, wird inoffiziell als Grund für die Ablehnung von Frauen angegeben. Manche Staatsbetriebe, wie etwa chinesische Ölgesellschaften, schieben auch den Vorwand vor, Frauen seien nicht so gut für den Auslandseinsatz geeignet wie Männer.

Chancengleichheit als Errungenschaft des Kommunismus

Mehr Chancengleichheit für Frauen gehörte eigentlich zu den stolzesten Errungenschaften des chinesischen Kommunismus unter Mao Zedong. Viele Frauen in China sind heute berufstätig und immer mehr arbeiten auch in gutbezahlten, modernen Jobs. Doch in den letzten Jahren gibt es gleichzeitig einen deutlichen Trend zurück zu mehr Sexismus und Diskriminierung. Dass Frauen immer noch seltener in Führungspositionen zu finden sind und durchschnittlich für gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer, ist in China ohnehin genauso wahr wie in den meisten anderen Ländern der Erde.

Seit einiger Zeit macht unter jungen Chinesinnen ein sarkastischer Spruch die Runde: "Besser gut geheiratet als gut gearbeitet." Manche arbeitslose Frauen fügen sich in ihr Schicksal. Sie kleben offenherzige Fotos in ihre Bewerbungen oder schreiben in den Lebenslauf, dass sie "gerne abends trinken gehen". Eine Chinesin bewarb sich jüngst für einen Bürojob mit dem Hinweis, dass sie den zweiten Platz im Schönheitswettbewerb "Miss Tianjin" belegt hat.

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