Wie gefährlich die Brustimplantate sind:Risse, Billig-Silikon und Entzündungen

Nach Warnungen aus Frankreich sollen sich jetzt auch deutsche Frauen die minderwertigen französischen PIP-Implantate aus der Brust nehmen lassen. Wie dringlich ist die vorsorgliche Operation? Wie gefährlich sind die Kissen aus billigem Silikon wirklich? Und wer bezahlt das? Erste Antworten.

Berit Uhlmann

Nach Warnungen aus Frankreich empfiehlt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auch deutschen Frauen sich vorsorglich die minderwertigen Brustimplantate des französischen Herstellers PIP entfernen zu lassen. Derzeit ist allerdings nicht nur die Kostenfrage ungeklärt, offen ist auch, wie gefährlich die Implantate wirklich sind. Denn während Länder wie Frankreich und Deutschland zu der Entnahme raten, sprechen Großbritannien und Australien keine derartige Empfehlung aus. Ein Überblick über die Probleme mit den Implantaten:

[] Risse in den Implantaten

Der Verdacht, dass die PIP-Implantate verstärkt reißen können, kam schon 2009 auf. Insgesamt wurden bis heute bei den 30.000 Französinnen, die sich PIP-Implantate einsetzen ließen, mehr als 1000 Risse festgestellt. Ist das viel? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Immerhin haben Langzeitstudien in den USA gezeigt, dass auch höherwertige Implantate nicht gar so selten reißen: Pro Jahr gibt es bei einem Prozent der Kissen Risse, nach zehn Jahren sind etwa zehn Prozent der Implantate nicht mehr intakt.

Andererseits sind möglicherweise bei den PIP-Implantaten nicht alle Risse bekannt. In bis zu zwei Drittel der Fälle, schätzt die britische Gesundheitsbehörde NHS, könnten Risse symptomlos und damit unbemerkt bleiben. In Großbritannien wurden bislang 478 Komplikationen registriert; ungefähr 40.000 Frauen haben PIP-Implantate erhalten. In Australien erhielten 9000 Patientinnen PIP-Kissen, bei 37 von ihnen traten Risse auf. In Deutschland sind 19 Risse gemeldet worden, die Zahl der Trägerinnen von PIP-Implantaten ist nicht bekannt.

[] Ausschwitzen der Silionkissen

Offenbar tritt das Gel in den PIP-Implantaten nicht nur durch Risse aus, sondern kann auch "ausschwitzen". Deutsche Ärzte meldeten diese Komplikation in den vergangenen Wochen verstärkt. "Wir stellen hier eine deutliche Tendenz fest", sagt BfArM-Sprecher Maik Pommer. Dieses Problem trete umso häufiger auf, je älter die Implantate sind. Die Behörde empfiehlt daher, die Dringlichkeit der Implantat-Entnahme vom Alter der Einlagen abhängig zu machen. Zahlen zur Häufigkeit des "Ausschwitzens" kann das Institut derzeit nicht nennen.

Tritt Silikon aus den Kissen aus, kann eine Operation komplizierter werden. Zugleich besteht das Risiko von Entzündungen, das möglicherweise noch dadurch erhöht wird, dass PIP zugleich minderwertiges Gel verwendet hat.

[] Die Gefährlichkeit des Gels

Nachdem der Verdacht der Rissbildung aufgekommen war, zeigten weitergehende Untersuchungen 2010 in Frankreich, dass PIP zumindest einen Teil der Implantate mit einem nicht zugelassenem Gel gefüllt hatte. Während das medizinische Silikon formstabil ist, ist das PIP-Gel offenbar flüssiger und kann damit selbst durch kleine Risse in umliegendes Gewebe eindringen. Damit kann es Entzündungen im Brustgewebe oder den Lymphknoten der Achselhöhlen verursachen.

In Frankreich sind bis Ende vergangenen Jahres 495 Entzündungen bei Frauen mit PIP-Implantaten bekanntgeworden, das entspricht einer Rate von 1,7 Prozent. Auch diese Zahl ist schwer zu interpretieren, denn Vergleichswerte von herkömmlichen Implantaten gibt es nicht. Eine französische Studie an Nagetieren deutete allerdings darauf hin, dass das PIP-Gel häufiger Entzündungen hervorruft als das medizinische Silikon.

Wie groß ist die Krebsgefahr?

Ob das billige Gel darüber hinaus giftig wirkt, ist noch nicht abschließend beurteilt. Deutsche Ärzteverbände sprechen von einer "potentiellen, bis heute kaum bekannten Toxizität". Erste Studien ergaben allerdings keine akute toxische Wirkung auf Gewebe. In Labortests konnte auch keine genverändernde Wirkung festgestellt werden. Kompliziert wird die Lage allerdings dadurch, dass nicht klar ist, ob alle PIP-Implantate das gleiche Gel enthalten.

[] Krebsgefahr

Die Angst, die billigen Implantate könnten Krebs hervorrufen, hatte dem Skandal Ende des vergangenen Jahres erst richtig Fahrt gegeben. In Frankreich waren insgesamt 20 PIP-Implantat-Trägerinnen überwiegend an Brustkrebs erkrankt. Rein statistisch betrachtet ist dies nicht viel, jede achte bis zehnte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs, die Rate müsste also bei bis zu 3000 liegen. Allerdings sind die meisten Implantat-Trägerinnen noch jung, es ist nicht ausgeschlossen, dass etliche von ihnen später noch erkranken werden.

Das französische Krebsinstitut stellte fest, dass aus den heute verfügbaren Daten kein erhöhtes Brustkrebsrisiko geschlossen werden kann - weder für Trägerinnen von PIP-Implantaten noch für Frauen mit Silikonkissen anderer Hersteller.

Etwas diffiziler ist der Fall beim Lymphdrüsenkrebs. In Frankreich war eine Frau mit PIP-Kissen am sogenannten anaplastischen großzelligen Lymphom gestorben. Schon im vergangen Jahr hatte die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA darauf hingewiesen, dass Frauen mit Silikoneinlagen in der Brust ein kleines, aber erhöhtes Risiko haben könnten, an diesem sehr seltenen Leiden zu erkranken. Die amerikanische Behörde geht von etwa 60 Fällen unter Brustimplantat-Trägerinnen weltweit aus. Sie räumt ein, dass dies zu wenig ist, um daraus allgemeingültige Empfehlungen abzuleiten. Die von der FDA zitierten Daten gelten für alle Silikon-Implantate. Ein erhöhtes Risiko speziell bei PIP-Implantaten ließ sich bislang nicht feststellen.

[] Debatte über die Kosten

Wer für die empfohlene Entnahme der Implantate aufkommt, wird derzeit heftig diskutiert. Das Bundesgesundheitsministerium sieht grundsätzlich die Kassen in der Pflicht. Diese wollen jedoch bei Frauen, die sich die Kissen allein aus ästhetischen Gründen etwa zur Brustvergrößerung haben einsetzen lassen, nicht die volle Kostenübernahme garantieren und erwarten eine Beteiligung von Patientinnen und Schönheits-Ärzten. "Schönheitsoperationen sind ein lukratives Geschäft für Ärzte. Wir fordern die Ärzte auf, ihre Patientinnen mit den Folgekosten ihres ärztlich-unternehmerischen Handelns jetzt nicht alleine zu lassen", sagte ein Sprecher des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen GKV. Zugleich versicherte er, dass die Kassen die Kosten für den Austausch der Implantate übernehmen, wenn die Patientinnen die Silikonkissen aufgrund einer Erkrankung eingesetzt bekamen.

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