Suche nach neuem WHO-Chef:Ein Job mit Geld, Prestige und einer fast unlösbaren Aufgabe

The WHO logo is pictured at the entrance of its headquarters in Geneva

Sechs Kandidaten gibt es für das Amt des neuen WHO-Chefs. Hier das Logo der Organisation.

(Foto: REUTERS)

Hinter den Kulissen wird bereits geworben und gerangelt: Im Mai wird ein neuer Chef der Weltgesundheitsorganisation gewählt.

Von Kai Kupferschmidt

Dieses Jahr entscheidet sich, wer künftig an der Spitze der Weltgesundheitsorganisation WHO stehen wird. Im Mai wird der Nachfolger von Generaldirektorin Margaret Chan gewählt, die für ihr Verhalten in der Ebolakrise in Westafrika heftig kritisiert wurde. Nach zehn Jahren muss sie jetzt abtreten. Der neue Chef bekommt einen Job mit einem Jahresgehalt von mehr als 200 000 Euro, aber auch eine fast unmögliche Aufgabe: Ziel der WHO ist es nämlich "allen Völkern zur Erreichung des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu verhelfen". So steht es in der Gründungsurkunde von 1948.

Nicht nur die Ebolakrise, in der die WHO zu spät und zu zaghaft reagierte, hat gezeigt, dass sie dazu häufig nicht in der Lage ist. Mit etwa zwei Milliarden Euro Jahresbudget habe die Organisation schlicht nicht das Geld, um das zu schaffen, sagt der US-amerikanische Global-Health-Experte Peter Hotez. "Die WHO macht alles: Behinderung und Diabetes, Seuchen, Rauchen, Menschenrechte. Das sind wichtige Dinge, aber das kann man nicht alles mit zwei Milliarden Euro machen." Auch Chan kritisierte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass das Budget seit Jahren stagniere und viele Länder in der WHO nicht bereit seien, mehr Geld beizusteuern. Sie "benehmen sich wie Besucher der WHO, nicht wie Mitglieder", sagte Chan. Ihr Nachfolger wird sich auch daran messen lassen müssen, wie er mit dieser Herausforderung umgeht.

Die Abstimmung ist geheim. Das begünstige Korruption, sagen Kritiker

Sechs Kandidaten haben sich beworben. Einer der als aussichtsreich gilt, ist Tedros Ghebreyesus, bis vor kurzem Außenminister von Äthiopien und davor Gesundheitsminister des Landes. Noch nie hat ein Afrikaner die WHO geführt und es gibt schon länger Stimmen, die genau das fordern. Die Afrikanische Union unterstützt seine Kandidatur. Ein weiter Kandidat, der gute Chancen hat, ist David Nabarro. Der britische Mediziner hat viele Jahre für die WHO und die UN gearbeitet. Zuletzt war er Ebola-Beauftragter der UN. Hinzu kommen Sonia Nishtar, eine pakistanische Kardiologin, außerdem der ehemalige französische Gesundheitsminister Philippe Douste-Blazy, der frühere ungarische Gesundheitsminister Miklós Szócska und Flavia Bustreo, Leiterin der WHO-Abteilung für Gesundheit von Mutter und Kind.

Aus diesen sechs Kandidaten wird der Exekutivrat Ende Januar drei nominieren. Einen von ihnen wird die Weltgesundheitsversammlung, in der jedes Land eine Stimme hat, dann wählen. Das Prozedere ist neu. In der Vergangenheit wählte der Exekutivrat einen Kandidaten aus und die Versammlung konnte wenig mehr tun, als ihn zu bestätigen. Die Wahl sei jetzt etwas transparenter, sagt Ashish Jha, Experte für Gesundheitspolitik an der Harvard-Universität. Aber er kritisiert, dass die Abstimmung geheim bleibt. Das begünstige Deals und Korruption.

Schon seit einiger Zeit werde im Hintergrund geworben und gerangelt, würden Allianzen gebildet, sagt Ilona Kickbusch vom Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung in Genf. Gerade wegen des neuen Wahlsystems sei äußerst schwierig vorherzusehen, wer am Ende das Rennen macht. Gegen einen europäischen Kandidaten spricht, dass bereits der neue Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Portugiese António Guterres, aus Europa stammt. Andere Beobachter stellen in Frage, ob Afrika wirklich geschlossen für Tedros Ghebreyesus stimmen wird, oder ob zum Beispiel die frankophonen Länder am Ende Frankreichs Kandidaten unterstützen.

Die Persönlichkeit des neuen Generaldirektors könnte entscheidend sein für die Zukunft der Organisation, sagt Ashish Jha. Eine gute Führungspersönlichkeit mit politischem Gespür könne viele Länder überzeugen, im Krisenfall das Richtige zu tun, sagt er. Dagegen habe Margaret Chan stets argumentiert, sie könne nur ausführen, was die Mitgliedsstaaten wollten. "Ich glaube, das ist ein grundsätzliches Missverständnis ihrer Aufgabe", sagt Jha. Kickbusch warnt aber vor überzogenen Erwartungen: "Viele Menschen denken, wenn wir jetzt die richtige Person wählen, dann können alle Probleme der WHO gelöst werden." Das sei unfair, sagt sie. "Die wichtigsten Entscheidungen über das Budget und die Prioritäten treffen immer noch die Mitgliedsstaaten."

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