Werbung für "gesunde Nahrungsmittel":EU-Kommission verbietet falsche Versprechen

Cranberry-Saft gegen Harnwegsinfekte, Kinderschokolade für das Wachstum - es war der Lebensmittelindustrie bislang schon untersagt, die Verbraucher über angeblich gesunde Lebensmittel falsch zu informieren. Nun gelten noch strengere Regeln. Doch Verbraucherschützer sind unzufrieden.

Von Markus C. Schulte von Drach

Darf ein Lebensmittelhersteller behaupten, dass seine Produkte der Gesundheit der Verbraucher dienen oder die Leistungsfähigkeit stärken? Dass sie den Haarausfall verringern, die Verdauung unterstützen?

Ja, hat die Europäische Kommission bereits vor Jahren festgelegt - wenn die Behauptung wissenschaftlich haltbar ist. Deshalb müssen die Unternehmen der Behörde überzeugende Studien vorlegen, die bestätigen, was ihre Werbeabteilungen verkünden. Allerdings haben Firmen Möglichkeiten entdeckt, durch vielleicht nicht ganz falsche, aber letztlich doch irreführende Angaben einen missverständlichen Eindruck zu erwecken.

Seit dem 14. Dezember ist eine Verordnung der Kommission in Kraft, die hier einen Riegel vorschieben soll. Zum Beispiel sei "die Aussage, dass Eisen zu einer Reduktion übermäßigen Haarausfalls beitrage", nun verboten, heißt es im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. "Ganze Wirkstoffgruppen sind durchgefallen", stellt die Verbraucherzentrale Hamburg fest. Dazu gehören ihnen zufolge "Glucosamine und/oder Chondroitinsulfat für gesunde Knochen und Gelenke, Lutein und Zeaxanthin für den Erhalt der Sehkraft und Phytoöstrogene zur Besserung von Wechseljahrbeschwerden".

Bereits im Mai 2012 hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Liste von 222 Angaben zusammengestellt, die man dort für wissenschaftlich haltbar hält und die unter bestimmten Bedingungen zulässig sein sollen. Seit heute müssen sich die Unternehmen auf diese Angaben beschränken.

Erlaubt sind nun Aussagen wie "Biotin trägt zur Erhaltung normaler Haare bei", "Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt" oder "Vitamin C trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei". Doch was sich auf der Liste nicht finden lässt, darf auch auf keiner Lebensmittelverpackung stehen oder in Werbespots behauptet werden. Außerdem müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. So wird etwa Kreatin als leistungssteigernder Stoff beworben. Erlaubt ist tatsächlich die Aussage: "Kreatin erhöht die körperliche Leistung bei Schnellkrafttraining im Rahmen kurzzeitiger intensiver körperlicher Betätigung".

Aber, so bestimmt die neue Verordnung der Europäischen Kommission: "Die Angabe darf nur für Lebensmittel verwendet werden, deren Verzehr eine tägliche Aufnahme von 3 g Kreatin gewährleistet. Damit die Angabe zulässig ist, sind die Verbraucher darüber zu unterrichten, dass sich die positive Wirkung bei einer täglichen Aufnahme von 3 g Kreatin einstellt."

Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hält die neue sogenannte Health-Claims-Verordnung für einen "wichtigen Schritt zu mehr Transparenz bei Lebensmitteln". Die Bürger in Europa seien nun wesentlich besser vor irreführender Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben geschützt.

Bereits in der Vergangenheit hatten die Prüfungen der EFSA immer wieder dazu geführt, dass Behauptungen der Hersteller nicht länger aufrecht erhalten wurden. Dazu gehört etwa die Werbung für Cranberry-Saft zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen. Das gleiche gilt für die Behauptung, Kinderschokolade unterstütze das Wachstum, Schwarztee fördere die Konzentrationsfähigkeit, probiotischer Trinkjogurt stärke die Immunabwehr oder schütze vor Erkältungen und Kellog's Frühstücksflocken helfen beim Abnehmen. Entweder die Werbung fiel bei der EFSA durch - oder die Unternehmen zogen ihre Anträge auf eine Zulassung der entsprechenden Werbung selbst wieder zurück.

"Vieles ist noch ungeregelt"

Die jetzt zugelassenen 222 Angaben, die in Zukunft noch erweitert werden sollen, hat die EFSA auf der Grundlage der bisher bei ihr eingegangenen und positiv bewerteten wissenschaftlichen Nachweise einer Wirksamkeit von Vitaminen und Mineralstoffen zusammengestellt.

Dafür hatten die Fachleute etwa 44.000 Anträge von Unternehmen untersucht, die an die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten übermittelt wurden.

Ob die Verordnung den gehofften Erfolg haben wird, hängt davon ab, ob die Verbraucher die Verpackungen genau genug studieren, und auf welche Kniffe die Lebensmittelindustrie noch kommt. Das Gerücht etwa, Joghurt sei besonders gesund, wenn er "probiotisch" ist, hält sich hartnäckig, auch wenn die Hersteller die behauptete Stärkung des Immunsysstems inzwischen mit zugesetzten Vitaminen rechtfertigen. Ein anderes Beispiel ist "Augen Extra" von Doppelherz. Hier betont der Hersteller, das Produkt enthalte Lutein und Zeaxanthin. Die Behauptung, diese Stoffe würden helfen, die Sehkraft zu erhalten, ist nicht erlaubt. Anders ist es mit den ebenfalls enthaltenen Stoffen Vitamin A und Zink. Doch der Eindruck der Verbraucher ist natürlich, dass alle diese Substanzen der Gesundheit auf diese Weise zuträglich sind.

"Zwar wurde mit der jetzigen Positivliste dem Wildwuchs an unbewiesenen Aussagen Einhalt geboten", stellt die Verbraucherzentrale Hamburg fest, "doch vieles ist noch ungeregelt". So gebe es beispielsweise weiterhin keine Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Lebensmitteln, so dass die Gefahr einer Überdosierung besteht. Denn Verbraucher seien damit überfordert, einzuschätzen, ob das eigene Essverhalten zu einer ausreichenden Versorgung führt. Außerdem müssen die Fachleute noch etwa 2000 Angaben zu pflanzlichen Stoffen wie Artischockenextrakt oder Polyphenolen und etwa 200 anderen, darunter auch Mikroorganismen, bewerten.

Und das Wichtigste stehe noch aus, erklären die Verbraucherschützer: "Die Festlegung der sogenannten Nährwertprofile, damit Zucker und Fettfallen nicht durch Zusatz billiger Vitamine zu 'Gesundheitsprodukten' mutieren".

Wer mit Hilfe der Nahrung etwas Gutes für seine Gesundheit tun will, sollte sich schlicht und einfach ausgewogen ernähren. Denn für spezielle Gesundheitsnahrung gilt im Prinzip das, was Helmut Heseker, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung kürzlich über Vitaminpillen gesagt hat: "Ernährungsfehler lassen sich durch sie nicht ausgleichen."

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