Wenn die Psyche die Diät durchkreuzt:Plötzlich brechen die Dämme

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Kann man auf Dauer widerstehen? Essen ist emotional. (Foto: Robert Haas)

Wer versucht, sein Essverhalten streng zu kontrollieren, erliegt nicht selten seinem Heißhunger. Warum sich Essen mit der Vernunft nicht steuern lässt und Diäten so oft scheitern.

Von Sebastian Herrmann

Diäten gehen immer. Es ist fast unmöglich, etwa ein Frauenmagazin ohne Abnehmtipps zu finden. Die 24-Stunden-Diät. Forever-Young-Diät. Schlank werden, schlank bleiben - und so weiter. Neben den Regalen mit den Magazinen türmen sich die Diätbücher. Sie versprechen Schlankheit im Schlaf, Jugend, Attraktivität und Erfolg. Diäten gehen immer, aber sie funktionieren nie. Wer Diät hält, versucht mit dem Verstand zu kontrollieren, was in das Reich der Emotionen gehört. Diesen Grundkonflikt aller Diäten beschreibt etwa der Sozialpsychologe Wolfgang Stroebe von der Universität Utrecht in einer Studie im Journal of Experimental Social Psychology, die den Titel "Warum Diäten scheitern" trägt.

Essen ist emotional - der Verstand sitzt nur als stummer Gast am Nachbartisch. Wenn er versucht, sich einzumischen, verdirbt er das Menü. Der Psychologe Stroebe beobachtete in einer seiner Studien zum Beispiel einen auffälligen Zusammenhang von gehemmtem, stark kontrolliertem Essverhalten und einem hohen Body-Mass-Index. Von den fettleibigen Probanden in einer Stichprobe zählten sogar 85 Prozent zu der Gruppe, die sich große Gedanken rund um Diäten machten.

Das liegt nicht nur daran, dass füllige Menschen eben auch eher ihr Gewicht reduzieren wollen. Sogenannte kontrollierte Esser reagieren offenbar generell stärker auf den Anblick oder Geruch verlockender Speisen: Menschen, die ihre Ernährung nach Regeln ausrichten, greifen dann oft besonders herzhaft zu. So mündet der Versuch der Selbstbeschränkung in einem vollen Bauch und Schuldgefühlen.

Das zeigte etwa Ingrid Fedoroff von der University of British Columbia in einem gemeinen Versuch. Sie setzte ihre Versuchspersonen zehn Minuten lang Pizzaduft aus. Kurz darauf wurde serviert und jeder durfte so viel essen, wie er wollte. Ausgerechnet jene, die stets versuchen sich am Riemen zu reißen, aßen ganz besonders viel. Wenn kontrollierte Esser zugreifen, dann brechen die Dämme: Die Regeln sind sowieso verletzt, dann ist alles egal.

Bewusst zu essen, ist einer der vielen Imperative des modernen Ernährungsterrors. Wendet man ihn auf die Modelle der Psychologen an, klingt die Aussage plötzlich nicht mehr so sinnvoll. Sein Essverhalten rational zu kontrollieren, trennt einen womöglich von den Signalen des Körpers. Überspitzt ausgedrückt: Der gedankenlose Esser isst, solange er Hunger spürt. Ist er satt, legt er den Löffel wieder hin.

Beherrschte oder eben bewusste Esser setzen sich stattdessen Ernährungsregeln und verfolgen ein Ziel - etwa eine konkrete Zahl an Kilos, die sie verlieren wollen. Womöglich, so eine Theorie in der Psychologie, verlieren diese gehemmten Esser dabei ihr Gespür für Hunger und Sattheit.

Diät und Selbstkontrolle verbrauchen kognitive Ressourcen - es strengt den Geist an. Ist die Kraft erschöpft, wird gefuttert. Nicht nur der Anblick von Schokolade, der Duft von Pizza und Pommes laugen die kognitiven Ressourcen eines Diäthaltenden aus. Auch starke emotionale Ereignisse perforieren laut diesem Erklärungsmodell das geistige Kaloriensperrwerk.

Aber kann man die Psyche nicht irgendwie überlisten? Nehmen Sie kleine Teller. In große lädt man sich üppige Portionen - ohne das zu bemerken. Und Matthew Sanders berichtete jüngst im Fachmagazin Psychological Science, dass Gurgeln mit Zuckerwasser die Selbstkontrolle verbessert. Weil, so mutmaßte der Psychologe, der süße Geschmack die Belohnungszentren im Hirn anspreche.

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© SZ vom 27.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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