Was in der Patientenverfügung stehen muss:Was passiert, wenn ...

Regelung zu Patientenverfügung droht zu scheitern

Vordrucke bergen Fallen: Wer eine Patientenverfügung aufsetzt, sollte sich beraten lassen.

(Foto: dpa)

"Bloß keine Schläuche", "Bitte eine menschenwürdige Behandlung": Wer solche Floskeln in die Patientenverfügung schreibt, bürdet Ärzten und Angehörigen unnötige Probleme auf. Wie Sie möglichst konkret werden können.

Von Eva Dignös

Eine Patientenverfügung ist ein Blick in die Zukunft. Denn in ihr legt ein Mensch fest, wie er medizinisch behandelt werden möchte, wenn er sich selbst dazu nicht mehr äußern kann: "Eine Patientenverfügung ist eine vorweggenommene Einwilligung oder Nicht-Einwilligung in bestimmte ärztliche Maßnahmen", sagt Sonja Hecker, Rechtsanwältin in Mannheim und Geschäftsführerin der Deutschen Vereinigung für Vorsorge- und Betreuungsrecht (dvvb). Deshalb gilt: "Je konkreter ich eine Situation beschreibe, umso einfacher ist die Umsetzung." Denn der Arzt ist an den Willen des Patienten gebunden, muss aber vorher prüfen, ob dieser Wille sich überhaupt auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation bezieht.

Hier liegt das Problem vieler Patientenverfügungen: "Sie sind oftmals nicht aussagekräftig, weil sie zu vage formuliert sind", sagt der Arzt und Medizinethiker Ralf Jox, Leiter des Arbeitsbereichs "Klinische Ethik" am Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Festlegungen wie "Ich möchte nicht an Schläuchen hängen" oder "Ich möchte ein menschenwürdiges Leben" sind im Ernstfall weitgehend nutzlos. Denn was ist ein "menschenwürdiges Leben"?

Vorsicht vor Floskeln

Eine Patientenverfügung sollte deshalb ganz konkret schildern, wie der Verfasser in bestimmten Lebens- und Krankheitssituationen ärztlich behandelt werden möchte. Will er im Endstadium einer tödlich verlaufenden Krankheit bei einer Lungenentzündung noch mit Antibiotika behandelt werden? Soll er beatmet werden, wenn er wegen einer Gehirnschädigung im Koma liegt? Ist er mit einer Wiederbelebung nach einem Herz-Kreislauf-Versagen einverstanden? Will er nach seinem Tod Organe spenden? Das nämlich ist mit einem vollständigen Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen nicht vereinbar, da in diesen Fall seine Organe nicht lange genug durchblutet würden, um noch zur transplantierbar zu sein.

Die Zustimmung zu einer Therapie kann auch von ganz bestimmten Krankheitssituationen abhängig gemacht werden: Nach einem Unfall darf vorübergehend künstlich ernährt werden, nicht jedoch in einem irreversiblen Wachkoma. Grundsätzlich gilt: Die Patientenverfügung darf von einem Arzt keine Handlungen verlangen, die gegen Gesetze verstoßen. Aktive Sterbehilfe zum Beispiel ist ausgeschlossen.

Das Gesetz zur Patientenverfügung stellt auch klar, dass das Dokument grundsätzlich dann herangezogen werden muss, wenn ein Patient in die Behandlung nicht selbst einwilligen kann - und nicht erst, wenn er im Sterben liegt. Das bedeutet: Wenn ich auf eine Wiederbelebung verzichte, gilt dies auch bei einem Herzstillstand während einer Operation. Soll die Verfügung erst angewendet werden, wenn das Leben absehbar zu Ende geht, "dann muss das hineingeschrieben werden", sagt Anwältin Hecker.

Beratung hilft, konkret zu werden

Solche Situationen gedanklich durchzuspielen, ist schwierig, wenn man noch ganz gesund ist. Zum einen, weil sie am Tabuthema Sterben und Tod rühren, zum anderen, weil der Laie die verschiedenen möglichen Situationen und damit verbundenen Behandlungsoptionen gar nicht kennt. Experten raten deshalb einhellig, sich über die Konsequenzen seiner Festlegungen beraten zu lassen, von einem Arzt beispielsweise oder von Mitarbeitern eines Hospizdienstes. (Wo Sie geeignete Ansprechpartner finden, erfahren Sie hier).

Wer bereits unter einer schweren Krankheit leidet, spricht am besten seine behandelnden Ärzte auf das Thema Patientenverfügung an, damit diese auch wirklich die Behandlungsmöglichkeiten abdeckt, die im weiteren Verlauf zur Diskussion stehen werden - und zu denen man sich dann möglicherweise nicht mehr selbst äußern kann.

"Bei einem gesunden Menschen wird die Patientenverfügung sicher allgemeiner formuliert sein als bei einem Patienten, bei dem der Verlauf der Erkrankung schon absehbar ist", sagt Benno Bolze, Geschäftsführer des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands. Wichtig ist, dass sie eine Richtung vorgibt, dass die Einstellung des Verfassers zum Thema Krankheit und Sterben für den Arzt erkennbar wird, betont der Medizinethiker Arnd May vom Zentrum für Angewandte Ethik in Recklinghausen.

Persönliche Wertevorstellungen können bei ungeahnten Entscheidungen helfen

May rät, in der Patientenverfügung auch die persönlichen Wertvorstellungen zu formulieren. Das kann in einem Anhang geschehen, der sich mit Fragen zur persönlichen Lebensqualität, zu Erwartungen und Ängsten auseinandersetzt: Empfinde ich mein Leben als gelungen oder habe ich viele unerfüllte Wünsche? Wie bin ich bisher mit leidvollen Erfahrungen umgegangen? Habe ich Angst, anderen Menschen zur Last zu fallen? Was bedeutet mir Religion?

Diese Informationen helfen auch weiter, wenn die Patientenverfügung Unklarheiten oder Widersprüche enthält. Gerade bei Ankreuzformularen ist das häufig der Fall: "Da wurde auf der einen Seite angekreuzt, dass man keine Apparatemedizin möchte, und auf der nächsten Seite steht, dass man um Maximalbehandlung bittet", nennt Benno Bolze vom Deutschen Hospiz- und Palliativverband ein Beispiel.

Bei solchen widersprüchlichen oder fehlenden Informationen muss der behandelnde Arzt den tatsächlichen Willen des Patienten ermitteln. Hat dieser sich näher zu seinen Wertvorstellungen geäußert, ist das ein Anhaltspunkt. Auch Angehörige und Freunde werden dann befragt. Hat der Patient darüber gesprochen, ob er lebensverlängernde Maßnahmen wünscht? Welche Lebensqualität ist ihm wichtig? Vertraute Menschen sollten wissen, wie man in dieser Frage denkt: "Mit ihnen darüber zu sprechen, ist das Allerwichtigste", sagt Ralf Jox.

Nur Volljährige können eine Patientenverfügung verfassen. Für Kinder sieht das Gesetz ein solches Dokument nicht vor, obwohl Ärzte oft erleben, dass unheilbar kranke Kinder sehr genaue und auch realistische Vorstellungen davon haben, wie sie ihre letzte Lebenszeit verbringen wollen. Solche Äußerungen, so heißt es in einer Empfehlung der Bundesärztekammer, sollten deshalb bei Entscheidungen über die weitere Therapie durchaus beachtet werden. Einen Anspruch, wie bei der Patientenverfügung, gibt es jedoch nicht.

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