Urteil des Bundesverwaltungsgerichts:Keine Apothekenpflicht für E-Zigaretten

Urteile zum Streit um E-Zigaretten

In einer E-Zigarette verdampft eine Flüssigkeit, den Dampf inhaliert der Konsument anschließend

(Foto: dpa)
  • Die umstrittenen E-Zigaretten sind laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts keine Arzneimittel.
  • Damit benötigen sie auch keine Zulassung als solche und können weiter in Tabakläden und im Internet verkauft werden.
  • Dem Land NRW drohen nun Schadenersatzklagen, weil seine für rechtswidrig erklärten Warnungen zu erheblichen Umsatzeinbußen geführt haben.

Tabakhändler können sich freuen

E-Zigaretten sind keine Arzneimittel. Das haben die Richter des Bundesverwaltungsgerichts am Donnerstag entschieden. Für eine derartige Einstufung fehle es an einem therapeutischen Zweck und einer nachgewiesenen positiven gesundheitsfördernden Wirkung, urteilte das Gericht.

Das bedeutet für Tabakverkäufer und Internetversandhändler, dass sie die nikotinhaltigen Flüssigkeiten für E-Zigaretten weiter verkaufen dürfen. Mehrere Vertreiber und Hersteller hatten geklagt, weil ihnen der Verkauf verboten worden war.

Die Klägerin im ersten Verfahren betrieb in Wuppertal seit Dezember 2011 ein Ladengeschäft für E-Zigaretten und Zubehör. Im Februar 2012 untersagte ihr die Stadt den Vertrieb nikotinhaltiger Liquids mit der Begründung, es handele sich um Arzneimittel, die ohne Zulassung nicht verkauft werden dürften. Dieses Verbot hob das zuständige Oberverwaltungsgericht auf. Die dagegen erhobene Revison der Stadt blieb nun erfolglos. Liquids würden nicht als "Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten" vermarktet, heißt es im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.

Dem Land NRW drohen nun Schadenersatzklagen

In den beiden anderen Verfahren erklärte das Gericht Äußerungen des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums für unzulässig. Es hatte vor dem Handel und Verkauf von E-Zigaretten und Liquids gewarnt und darauf hingewiesen, dass nikotinhaltige Liquids nur mit einer arzneimittelrechtlichen Zulassung in den Verkehr gebracht werden dürften. Das Gericht wertete dies als unzulässige öffentliche Äußerungen, weil sie eine verbotsähnliche Wirkung hätten. Dem Land NRW drohen nun Schadenersatzklagen der Händler und Hersteller.

Der Verband rief Händler und Hersteller zu Schadenersatzklagen gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf. Die für rechtswidrig erklärten Warnungen des NRW-Gesundheitsministeriums hätten zu starken Umsatzeinbußen geführt, sagte der Verband des eZigarettenhandels. Einige Händler hätte ihr Geschäft sogar komplett aufgeben oder Mitarbeiter entlassen müssen.

Viele Menschen inhalieren den nikotinhaltigen Dampf als Alternative zu herkömmlichen Zigaretten. In den vergangenen Jahren sind die E-Zigaretten in Deutschland immer beliebter geworden. 2013 griffen nach Angaben des "Verbandes des E-Zigarettenhandels" 2,2 Millionen Menschen zur E-Zigarette. Bis Ende 2014 werde die Zahl der "Dampfer" auf mehr als 3 Millionen ansteigen.

Gesundheitliche Folgen von E-Zigaretten sind umstritten

Über mögliche Folgen des Gebrauchs von E-Zigaretten wird seit geraumer Zeit in Deutschland und auf EU-Ebene debattiert. Forscher warnen, dass mögliche Langzeitfolgen des Konsums von E-Zigaretten noch unbekannt seien. "Zwar ist Nikotin ein Stoff, der die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung nennenswert beeinflusst", erklärte der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts. Allerdings komme es auf die "Gesamtbetrachtung" an. Und da habe schon das Oberverwaltungsgericht Münster in der Vorinstanz festgestellt, dass "sich ein Nutzen der E-Zigarette als Hilfsmittel für eine dauerhafte Rauch- und Nikotinentwöhnung wissenschaftlich nicht belegen lässt".

Wasserdicht ist diese Argumentation indes nicht. Erst diese Woche hatten Wissenschaftler der belgischen Universität Löwen eine Studie vorgestellt, die den Effekt des Dampfens auf die Tabakkonsumgewohnheiten untersuchte. Die Forscher stellten 48 Rauchern über einen Zeitraum von acht Monaten E-Zigaretten-Produkte zur Verfügung. Jeder fünfte habe währenddessen aufgehört, Tabak zu rauchen, berichten die Forscher im Fachblatt International Journal of Environmental Research and Public Health. Weitere 23 Prozent hätten zumindest deutlich weniger Zigaretten am Tag geraucht als zuvor. Italienische Forscher kamen zu ähnlichen Ergebnissen.

Neue Regulierungen im Jahr 2016 geplant

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das für eine Klassifizierung als Arzneimittel eingetreten war, bedauert das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Obwohl E-Zigaretten Nikotin verdampften und deshalb mit potenziellen Gesundheitsrisiken verbunden seien, würden sie jetzt weiterhin weder überprüft noch überwacht, teilte das Bundesinstitut mit. "Wir hätten eine klare rechtliche Regelung begrüßt, die Verbrauchern mehr Schutz bietet, sie über Risiken aufklärt und die im Übrigen auch wirkungsvoll verhindert, dass E-Zigaretten völlig legal schon an Kinder verkauft werden können."

Spätestens 2016 wird es allerdings zu einer Regulierung für die E-Zigaretten kommen. Bis dahin muss Deutschland die neue EU-Tabakproduktrichtlinie umgesetzt haben. Sie zählt die Verdampfer generell zu den Tabakprodukten und legt eine Nikotin-Höchstgrenze für die "Liquids" fest. Dann muss sich der Gesetzgeber auch Gedanken zum Jugendschutz machen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: