Umweltverschmutzung:Gleichgültig bis in den Tod

Children float on makeshift raft made of discarded boards and styrofoam as they collect recyclable plastic bottles drifting along the coast of Manila Bay at the slum area in the Baseco Compound in metro Manila

Vor allem in Entwicklungsländern wie den Philippinen ist Umweltverschmutzung tödlich

(Foto: REUTERS)

Abgase, Abwässer und Abfälle fordern jedes Jahr neun Millionen Opfer. Eine politische Strategie fehlt. Wo bleibt der Aufschrei der Ärzte?

Kommentar von Werner Bartens

Das Ausmaß des Schadens ist ungeheuerlich, doch das Problem wird weiterhin unterschätzt. Neun Millionen Menschen weltweit kommen jedes Jahr um, weil die Umwelt so sehr verschmutzt ist. Luft, Wasser und Böden sind dermaßen verdreckt und verseucht, dass die Menschen krank werden und früher sterben.

Neun Millionen Opfer, das sind immerhin 16 Prozent aller jährlichen Todesfälle. Tendenz steigend, Besserung ist nicht in Sicht. Die Menschen sterben elendig an Herzinfarkten, Schlaganfällen, Lungenkrebs und chronischen Atemwegserkrankungen. Umweltgifte verstopfen nach und nach ihre Adern und Luftwege, bis nichts mehr geht.

Das Leiden an der Umweltverschmutzung ist ungerecht und undemokratisch. 92 Prozent aller umweltbedingten Todesfälle ereignen sich in Entwicklungsländern oder jenen Staaten, die gerade in Riesensprüngen die Industrialisierung nachholen, wie Indien, Pakistan, China oder Bangladesch. Innerhalb dieser Länder sind es wiederum die Ärmsten der Armen, die besonders häufig an schlechter Luft, kontaminiertem Wasser und verseuchten Böden zugrunde gehen. Der Dreck trifft jene besonders hart, die im Dreck leben.

Wenn die Politik zu wenig unternimmt - wo bleibt der Aufschrei der Ärzte?

In Deutschland gilt Umweltschutz und die Sorge um die Zerstörung der Lebensgrundlagen oft als Luxusproblem. Zwar muten die hiesigen erhöhten Feinstaubwerte und Stickoxid-Belastungen wie Petitessen an, angesichts des giftigen Smogdunstes, der etliche asiatische und afrikanische Metropolen einhüllt und dort den Tag zur Dämmerstunde macht.

Doch auch in Deutschland geht Industrieschutz vor Umweltschutz. Der lächerlich zahme Umgang mit dem Dieselskandal zeigt dies ebenso wie die Untätigkeit, die auf den regelmäßigen Alarmruf folgt, dass im alltäglichen Verkehrschaos in Stuttgart, München, Berlin, Hamburg oder anderswo mal wieder sämtliche Grenzwerte überschritten wurden. Wen kümmert das noch? Wer tut etwas dagegen?

Weltweit fehlt eine Strategie. Die WHO hält sich traditionell zurück. Andere internationale Organisationen haben damit zu tun, egomane Staatenlenker zu besänftigen. Umweltschutz hat keine Lobby, jene, die im Dreck verrecken, haben es erst recht nicht. Zwar befinden sich die reichen Länder in der luxuriösen Situation, bisher "nur" acht Prozent aller Toten dort zu beklagen. Aber dreckige Luft macht nicht vor Landesgrenzen halt, vergiftetes Wasser hält sich nicht an Zwölfmeilenzonen. Wenn die Politik versagt, braucht es einen Aufschrei und das Handeln der Ärzte und ihrer Fachverbände. Abgase, Abwasser, Abfälle töten - was für ein lohnendes Ziel, etwas dagegen zu tun. Schließlich wäre jeder Todesfall zu verhindern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: