Transplantationen in Deutschland:Zahl der Organspenden sinkt stark

In Deutschland warten etwa 11.300 Menschen auf ein Organ, jeden Tag sterben drei Patienten aufgrund des Organmangels. Doch die Zahl der Spenden hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Dabei tragen immer mehr Menschen einen Organspende-Ausweis.

Die Zahl der Organspenden ist in diesem Jahr auf einen neuen Tiefstand gesunken: In 2013 wurden nur noch 754 Spendern Organe entnommen.

Dies sind fast 16 Prozent weniger als in den ersten zehn Monaten des Vorjahres mit damals 892 Spenden, wie der Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Rainer Hess, beim DSO-Jahreskongress in Berlin mitteilte.

Da Spendern in der Regel mehrere Organe entnommen werden, ist deren Zahl deutlich höher. 2012 waren es in den ersten zehn Monaten 3001 Organe, 2013 nur noch 2647. Das ist ein Rückgang von fast zwölf Prozent. "Diese Situation ist unvertretbar", sagte Hess.

11.300 Menschen warten in Deutschland auf ein geeignetes Organ. Jeden Tag sterben im Schnitt drei Patienten, weil sie nicht rechtzeitig ein neues Organ erhalten.

Einen massiven Einbruch bei den Spenden gab es im August, als lediglich 56 Menschen Organe spendeten - nach fast 100 im August 2012. Im Oktober waren es 79 Spender, wie Hess mitteilte.

Die Spendezahlen sinken seit Jahren. Noch deutlicher brachen sie ein, nachdem im Sommer 2012 der Skandal um Manipulationen bei der Organvergabe bekannt worden war. An mehreren Universitätskliniken waren Manipulationen im Zusammenhang mit Lebertransplantationen aufgedeckt worden.

Der Skandal beeinträchtigte laut DSO das gesamte System der Organspende und führte zu einem erheblichen Vertrauensverlust.

Dabei ist die Zahl der möglichen Spender offenbar gestiegen. Wie das Nachrichtenmagazin Focus berichtete, besaßen in den ersten sechs Monaten 2013 immerhin 14,2 Prozent derjenigen Patienten, die als hirntot galten und als Spender infrage kamen, einen Organspendeausweis. Vor drei Jahren seien es nur 7,3 Prozent gewesen.

Die zunehmende Bereitschaft, einen solchen Ausweis auszufüllen, hängt möglicherweise mit dem neuen Transplantationsgesetz zusammen. Versicherte werden nun von den Krankenkassen über Organspenden und Organtransplantationen informiert.

Nach Auffassung der DSO, die die Organspenden in Deutschland koordiniert, gibt es Hoffnung, dass die Zahl der Spenden nun wieder zunehmen wird. 2013 zeichne sich wieder "eine stabilere Entwicklung" ab. Die Ergebnisse der ersten drei Quartale würden voraussichtlich "nicht mehr unterschritten".

Die Diskrepanz zwischen der Zahl der Spenden und der Spendebereitschaft, die die Ausweise signalisieren, lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass es derzeit noch eine erhebliche Verunsicherung in der Ärzteschaft gibt, wie mit Spendern umgegangen werden soll.

Auch viele Angehörigen entschieden sich im Zweifel gegen die Organspende, erklärte der Vorstandschef der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch.

Hess rief dazu auf, die Kriterien bei der Organvergabe zu überdenken. "Das geht sehr stark nach Dringlichkeit", sagte er. Fraglich sei dagegen, ob die Erfolgsaussichten genug berücksichtigt werden.

Absolute Transparenz in den Abläufen der Organspende und eine vermehrte Aufklärung seien eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass die Menschen dem System wieder vertrauten, sagte Hess. Ein entscheidender Schritt dazu sei der Aufbau eines Transplantationsregisters, in dem Spender- und Empfängerdaten zusammengeführt werden. Dadurch könnten die Ergebnisse der Transplantation einschließlich der Nachbehandlung und der Überlebenschance der Patienten künftig besser beurteilt werden. Zudem solle das Register bei der Beurteilung der Qualität der einzelnen Transplantationszentren helfen, betonte Hess.

Nachdem im vergangenen Sommer der Organspendeskandal aufgedeckt wurde, hatte eine unabhängige Prüfkommission alle 24 Leberprogramme an den deutschen Transplantationszentren kontrolliert. In zahlreichen Fällen waren Krankenakten manipuliert worden, so dass bestimmte Patienten in der Warteliste für ein Spenderorgan nach oben rückten und bei der Organspende bevorzugt wurden.

Ein ehemaliger Transplantationsmediziner aus Göttingen muss sich deshalb derzeit vor Gericht verantworten. Neben der Uniklinik Göttingen waren auch Kliniken in Leipzig, Münster und München von Manipulationen betroffen.

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