Transfusionen:Das fast perfekte Blut

A, B, 0 - bisher bestimmen Ärzte die Blutgruppe vor einer Transfusion mit Hilfe der Serologie. Doch Gentests könnten die Übertragung von Fremdblut sicherer machen.

Der junge Mann war nicht aufgeregt, als er vor 20 Jahren in eine Universitätsklinik in North Carolina kam. In seinem Leben hatte er schließlich schon viele Bluttransfusionen erhalten. Immer wieder brauchte er Blutkonserven, denn er litt an Sichelzellenanämie, einer erblichen Verformung der roten Blutkörperchen. Doch diesmal lief es nicht nach Plan: Sein Körper stieß das Blut ab.

Transfusionen: Ärzte wollen das beste Blut für Transfusionen finden.

Ärzte wollen das beste Blut für Transfusionen finden.

(Foto: Foto: ddp)

Offenbar hatte das Immunsystem des jungen Mannes inzwischen Abwehrzellen gegen das fremde Blut gebildet. "Er hat auf alles reagiert", sagt Wendell Rosse, der damals als Hämatologe an dem Klinikum arbeitete.

Die Anämie des Mannes verschlimmerte sich, zwei Wochen später war er tot.

Obwohl der Fall zwanzig Jahre zurückliegt, ist Rosse nicht sicher, dass der Mann heute überleben würde - so wenig Fortschritte haben die Krankenhäuser seitdem bei der Blutgruppenbestimmung gemacht.

Gentests könnten die Lösung sein. Bisher verlassen sich Ärzte bei der Blutgruppenbestimmung auf die Serologie - dabei werden Protein- und Kohlenhydratstrukturen auf der Oberfläche der roten Blutzellen erkannt; die Antigene A, B und 0 gehören dazu. Gentests hingegen prüfen die Abschnitte der Erbinformation, die die Struktur dieser Antigene bestimmen. Einige Forscher sind überzeugt, dass sich die Blutgruppen von Spender und Empfänger mit Hilfe der Genetik viel exakter abgleichen lassen.

"Das ideale Blut wird es nie geben"

"Das ideale Blut für jeden einzelnen Patienten wird es nie geben", sagt Neil Avent von der University of the West of England in Bristol, ehemaliger Leiter einer europäischen Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung von Blutgruppen-Gentests. "Aber wenn wir möglichst viel über den Spender wissen, können wir wenigstens das bestmögliche Blut finden."

Das beste Blut finden - das klingt einfacher, als es ist.Die A- und B- Antigene sind nur zwei von über 200 Biomarkern, die die Blutgruppe eines Menschen bestimmen. Ärzte testen routinemäßig schon jetzt auch auf den sogenannten Rhesus-Faktor, der eine starke Immunreaktion hervorrufen kann. Insgesamt kennen Ärzte bisher 29 Kriterien, nach denen das Blut eines Menschen unterschieden werden kann.

Die meisten davon ließen sich theoretisch wie die A- und B-Antigene mit einem einfachen Antikörpertest nachweisen. Doch die Chemikalien dafür sind oft teuer, unzuverlässig oder einfach nicht erhältlich. Für Menschen, die in ihrem Leben nicht mehr als eine oder zwei Transfusionen erhalten, stellen Unverträglichkeiten zwischen den unbedeutenderen Blutgruppen keine große Gefahr dar.

Aber Patienten, die immer wieder Transfusionen brauchen - darunter solche mit Sichelzellenanämie, Bluterkrankheit oder Leukämie - können Antikörper auch gegen diese Blutgruppen entwickeln, wie es bei dem jungen Amerikaner der Fall war. Das kanadische Gesundheitsamt schätzt, dass eine von 12.000 Transfusionen eine akute Immunreaktion hervorruft. Eine von 600.000 Übertragungen endet tödlich.

Gentests bieten eine Alternative. Indem Hämatologen 31 Gene entschlüsseln, die für die Antigene auf der Oberfläche der Blutzellen kodieren, können sie das Blut allen 29 Kategorien zuordnen. So ist zum Beispiel ein einzelnes Gen auf dem neunten Chromosom für die AB0-Oberflächenstrukturen verantwortlich. Wenn bekannt ist, welche Versionen des Gens ein Patient von seinen Eltern geerbt hat, lassen sich detaillierte Rückschlüsse über seine Blutgruppe ziehen.

Zwischen 80 und 90 Prozent der späten Immunreaktionen, wie auch die, die bei dem jungen US-Amerikaner auftrat, wollen die Befürworter mit Hilfe der Genanalyse verhindern können. Damit Blut-Gentests den Weg in die breite klinische Anwendung finden, sind allerdings noch billigere und schnellere Verfahren nötig.

Hundert Gene pro Tropfen

Im Jahr 2002 hat die Europäische Union der Organisation BloodGen deswegen 2,35 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Das Konsortium unter der Leitung von Neil Avent setzt sich aus Universitäten und Blutspendezentren aus ganz Europa zusammen. Es hat einen Genchip entwickelt, der die Erbinformation von Patienten testet. Aus einem Tropfen Blut kann der Chip neun Blut-Merkmale herauslesen, darunter die A- und B-Antigene und den Rhesusfaktor.

In einer ersten Versuchsreihe haben die Wissenschaftler von BloodGen mit dem Chip 1000 Blutproben analysiert. In 42 Fällen widersprachen ihre Ergebnisse denen der Serologie. Eine genauere Untersuchung zeigte, dass in 40 Fällen der Fehler beim serologischen Verfahren lag.

In den USA wird der Blutgruppen-Gentest noch misstrauischer beäugt als in Europa. Damit ein Chip die Blutgruppe zuverlässig bestimmen kann, muss er möglichst alle Versionen der dafür verantwortlichen Gene gespeichert haben.

Allein für die AB0-Blutgruppen sind aber bereits mehr als 100 mögliche Genvarianten bekannt, für das Rhesus-System mehr als 200 - und es werden ständig neue gefunden. Viele Forscher meinen deshalb, dass es noch dauern wird, bis die Genetik routinemäßig zur Bestimmung der A-, B- und Rhesus-Antigene eingesetzt wird. "Ich glaube nicht, dass wir schon alle Genvarianten entdeckt haben", sagt Marion Reid, Immunhämatologin am New York Blood Center.

Neil Avent ist trotzdem felsenfest überzeugt, dass der Gentest die serologische Bestimmung der meisten Blut-Merkmale noch in den nächsten zehn Jahren ablösen wird: "Für die Patienten, die ständig neue Transfusionen brauchen, erwarte ich den Richtungswechsel sogar schon in diesem Jahr."

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science erschienen, das von der AAAS herausgegeben wird. Dt. Bearbeitung: J. Maier

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