Syrien-Krieg:Dauerbeschuss für die Psyche

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Rund drei Millionen Kinder leben derzeit in umkämpften Gebieten in Syrien. (Foto: Save the Children)
  • Eine Studie der Hilfsorganisation Save the Children beziffert das Ausmaß psychischer Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen in Syrien.
  • Die Mehrheit der Kinder lebt in ständiger Angst vor Gewalt.
  • Psychische Leiden haben infolge des Krieges stark zugenommen. Experten deuten dies als Ergebnis von toxischem Stress.

Sechs Jahre nach Beginn des Syrien-Konflikts leiden Millionen syrische Kinder unter psychosomatischen Stresssymptomen. Das geht aus einer Studie der Kinderrechtsorgansiation Save the Children hervor. Die Mehrheit der jungen Bevölkerung lebt demnach in ständiger, teils panischer Angst vor Gewalt. Sprachstörungen, Bettnässen, Albträume, Alkoholmissbrauch und Drogenkonsum sind oft die Folge.

Für die Studie "Unsichtbare Wunden. Was sechs Jahre Krieg in der Psyche der syrischen Kinder anrichten" befragten Save the Children und Partnerorgansationen von Dezember 2016 bis Februar 2017 mehr als 450 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Syrien. 84 Prozent der Erwachsenen und praktisch alle Kinder gaben dabei an, dass Beschuss und Bomben die größten Stressfaktoren im Alltag von Kindern seien. 71 Prozent der Erwachsenen berichteten, dass Kinder vermehrt Probleme mit Bettnässen und unbeabsichtigtem Wasserlassen hätten. Beides können Symptome von toxischem Stress und posttraumatischen Belastungsstörungen sein. Toxischer Stress entsteht, wenn dauerhaft eine große Menge an Stresshormonen ausgeschüttet wird.

Die Hälfte der Kinder erzählten bei der Befragung, dass sie sich in der Schule selten oder nie sicher fühlen. 40 Prozent sagten, dass sie sich beim Spielen nicht einmal direkt vor dem Haus sicher fühlen. Über die Hälfte der Erwachsenen sagten, dass Jugendliche zu Drogen greifen, um den Stress zu bewältigen. Knapp die Hälfte der Erwachsenen beobachtete zudem, dass Kinder Sprachstörungen entwickelten oder ganz zu sprechen aufhörten.

"Nicht die nötige Hilfe, um Traumata zu verarbeiten"

Kinder hätten zwar "eine große Widerstandskraft", erklärte Alexandra Chen, Expertin für Kinderschutz und mentale Gesundheit an der Harvard-Universität. Die "wiederholten Traumata", denen viele syrische Kinder ausgesetzt seien, lösten bei vielen von ihnen aber toxischen Stress aus. Dies könne nicht nur die Entwicklung ihres Gehirns und anderer Organe stören, sondern berge auch ein Risiko für Herzerkrankungen, Drogen- und Alkoholmissbrauch und psychische Erkrankungen wie etwa Depressionen - bis ins Erwachsenenalter hinein.

Weil viele Ärzte aus Syrien geflohen sind und humanitäre Helfer oftmals nicht in die am schwersten betroffenen Gebiete gelangen, erhalten viele Kinder nicht die notwendige psychologische Betreuung. "Kinder in Syrien haben Schreckliches erlebt und mussten zum Teil mit ansehen, wie ihre Eltern getötet wurden, bekommen aber nicht die nötige Hilfe, um ihre Traumata zu verarbeiten", erklärte Marcia Brophy, Spezialistin für psychische Gesundheit von Save the Children im Nahen Osten.

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Trotz der vereinbarten Waffenruhe werde in Syrien weiter gekämpft. "Das muss sofort gestoppt werden, und humanitäre Hilfe, auch psychologische und psychosoziale Unterstützung, muss endlich alle betroffenen Kinder erreichen", sagte die Geschäftsführerin von Save the Children Deutschland, Susanna Krüger. Denn mit einem Ende der Gewalt und mit angemessener Unterstützung könnten sich die Kinder von ihren traumatischen Erlebnissen erholen. Derzeit leben nach Schätzungen von Hilfsorganisationen rund drei Millionen syrische Kinder in umkämpften Regionen.

Am 15. März jährt sich der Beginn des Syrien-Konflikts zum sechsten Mal. Begonnen hatte er mit friedlichen Protesten gegen die Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Seither wurden nach UN-Angaben mehr als 310 000 Menschen getötet, Millionen weitere mussten fliehen.

© SZ.de/AFP/chrb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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