Studie zu Sterblichkeit:Immer mehr weiße Amerikaner sterben relativ jung

  • Die Zahl der Todesfälle unter weißen US-Amerikanern mittleren Alters steigt seit 1998 an.
  • Forscher sprechen von einer "Trendwende" - in Deutschland, Frankreich, Großbritannien ist die Sterblichkeit in dieser Altersgruppe stark gesunken.
  • Vor allem weiße US-Amerikaner mit niedrigem Bildungsstand sterben häufiger schon im Alter von etwa 50 Jahren. Ursachen sind Drogensucht, Alkoholmissbrauch und Suizid.

Immer mehr weiße US-Bürger sterben schon im Alter von etwa 50 Jahren. Vor allem unter ärmeren und schlecht gebildeten Weißen zwischen 45 und 54 Jahren steige die Zahl der Todes- und auch Krankheitsfälle, bilanziert eine Studie im Fachmagzin PNAS. Gründe seien Drogen- und Alkoholvergiftung, Suizid sowie Lebererkrankungen. Von den Afroamerikanern und Latinos in den USA werden dagegen immer mehr Menschen älter als 54, schreiben die Gesundheitsökonomen Anne Case und Angus Deaton von der Princeton University. Deaton war dieses Jahr für seine Forschung zu Ungleichheit und Sozialpolitik mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet worden.

Für die neue Analyse werteten die Wissenschaftler die Daten mehrerer großer US-Gesundheitsgutachten für den Zeitraum 1999 bis 2013 aus. Dabei zeigte sich bei der weißen Bevölkerung ein deutlicher Zusammenhang zwischen Bildung und Gesundheit: Unter denjenigen, die höchstens einen Highschool-Abschluss hatten, vervierfachte sich im mittleren Lebensabschnitt die Zahl der Toten durch Alkohol oder Drogen, die Anzahl der Suizide pro 100 000 Menschen stieg in dieser Gruppe um 80 Prozent. Unter den Menschen mittleren Alters, die zumindest zeitweise ein College besucht hatten, blieb die Todesrate nach 1998 unverändert, während sich die Zahlen bei weißen Amerikanern mit Hochschulabschluss sogar etwas verringerten.

Ist die Wirtschaftslage schuld an der hohen Sterblichkeit?

"Wäre die Mortalitätsrate weißer Menschen im Alter von 45 bis 54 Jahre auf dem Stand von 1998 geblieben, hätten bis 2013 insgesamt 96 000 Todesfälle verhindert werden können", schreiben die Autoren. Die Veränderung kehre Jahrzehnte des Fortschritts bei der Sterblichkeit um. Seit 1970 geht die Sterblichkeit im mittleren Alter in Industrieländern wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien kontinuierlich zurück, die Lebenserwartung steigt.

Doch unter weißen US-Amerikanern habe 1998 eine Kehrtwende eingesetzt, so die Wissenschaftler, was auf tiefere soziale und ökonomische Ursachen hinweise. "Wenn das, was hier passiert, eine Epidemie der Hoffnungslosigkeit ist, dann sehen wir eine weitere schreckliche Folge von langsamem Wachstum und von wachsender Ungleichheit", bilanziert Deaton. Seit Ende der 1990er ist beispielsweise das Median-Haushaltseinkommen weißer US-Haushalte gefallen. Die Gesundheitsökonomen betonen jedoch, dass die Gründe für die erhöhte Sterblichkeit bisher nur teilweise verstanden seien.

Gesichert ist, dass die hohen Todesraten mit einem Anstieg an Krankheiten einhergehen: Viele Weiße der Altersgruppe beklagen körperliche und psychische Probleme. Die Zahl der Arbeitsunfähigen steigt. Rechnet man die Jahre 2011 bis 2013 zusammen, hatte laut Studie jeder Dritte chronische Gelenkschmerzen und jeder Siebte Ischias-Leiden. Fettleibigkeit sei zwar auch ein Problem, so die Autoren, habe die Todesrate im mittleren Alter bisher aber nicht wesentlich beeinflusst.

Forscher fordern striktere Verschreibungsregeln für Schmerzmittel

Seit Mitte der 90er Jahre werden zudem immer mehr starke, opioidhaltige Schmerzmittel verschrieben - die Grenze zu einer Nutzung als Droge ist hier oft fließend. Die Forscher fordern deshalb striktere Verschreibungsregeln.

In Deutschland steigt die Lebenserwartung weiter stetig an - für 2015 geborene Mädchen liegt sie bei fast 83 Jahren, für Jungen bei etwa 78 Jahren. Entsprechend sank die Sterberate für das Alter von 45 bis 54 seit 1990 um etwa zwei Prozent pro Jahr. Starben 1990 noch mehr als 450 pro 100 000 Menschen dieses Alters, waren es 2013 etwa 300 pro 100 000.

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