Skandal um Organspende in Göttingen:Gesundheitsministerium droht mit "massiven Konsequenzen"

Göttinger Mediziner sollen bestimmten Patienten bevorzugt Spenderorgane verschafft haben. Die Vorwürfe beunruhigen auch das Berliner Gesundheitsministerium. Es befürchtet, die Missstände könnten die Bereitschaft der Deutschen zur Organspende "massiv erschüttern".

Christina Berndt

Das Bundesgesundheitsministerium hat eine rasche Aufklärung über die Missstände bei der Organtransplantation am Universitätsklinikum Göttingen gefordert. Sollte sich der Vorwurf der Schieberei bei der Organzuteilung bestätigen, müsse dies "massive Konsequenzen" nach sich ziehen, sagte am Freitag ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Anlass für die Äußerung war ein Bericht der Süddeutschen Zeitung vom Freitag, wonach an dem Klinikum ausgewählte Patienten bevorzugt eine Lebertransplantation erhielten. Dazu soll der ehemalige Leiter der Transplantationschirurgie, von dem sich das Klinikum inzwischen getrennt hat, Krankendaten manipuliert haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Es wäre "nicht nur gesetzeswidrig, sondern höchst respektlos und ethisch verwerflich, wenn Organe nicht nach medizinischer Dringlichkeit transplantiert werden", sagte der Sprecher. Bahr sei besorgt, dass die Berichte über die Missstände die Bereitschaft zur Organspende "massiv erschüttern" könnten. Das Ministerium sei Ende Juni über die Vorwürfe informiert worden und stehe in ständigem Kontakt mit den zuständigen Institutionen.

Während einer Pressekonferenz am Göttinger Klinikum bestätigte Vorstand Martin Siess, dass neben dem mutmaßlichen Haupttäter weitere Mitarbeiter in die Vorfälle verstrickt seien. "Theoretisch wären die Akten von einer Person manipulierbar gewesen", sagte er. "Das ist allerdings höchst unwahrscheinlich." Ebenso unwahrscheinlich sei es aber, "dass es viele waren, die manipuliert haben".

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, verlangte lückenlose Aufklärung. Von der Ärztekammer und der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) erwarte die Politik, "dass sie endlich durchgreifen und Abläufe transparent machen". Andernfalls sei diesen Organisationen die Kontrolle zu entziehen.

Die Deutsche Hospiz-Stiftung erklärte, die Organspende gehöre in staatliche Hände. Sonst würden die Menschen dem System nicht vertrauen. DSO-Vorstand Günter Kirste äußerte gegenüber der Deutschen Presseagentur die Hoffnung, dass sich die Bürger von einem "Einzelfall" nicht grundsätzlich verunsichern lassen.

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