Schwangerschaft:Schwere Geburt des Schwangerschaftstests

Erst seit den 70ern haben Frauen die Möglichkeit, eine Schwangerschaft sicher festzustellen. Davor holten sie Rat bei Weizenkeimen und Froschlaich.

Von Nadja Schlüter

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Weizen und Gerste

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Quelle: SZ

Etwa ab der 20. Woche kann eine Schwangere die Bewegungen des Kindes wahrnehmen - aber den Wunsch, über den Nachwuchs Bescheid zu wissen, bevor er sich eindeutig bemerkbar macht, gibt es schon seit dem Altertum. Interessanterweise spielte der Urin der Frau schon damals eine Rolle. Einer der ältesten Belege dafür ist ein etwa 3 000 bis 4 000 Jahre alter Papyrus aus Ägypten, auf dem eine Methode zur Feststellung einer Schwangerschaft beschrieben wird: Weizen- und Gerstensamen wurden in Stoff gewickelt, und die Frau musste auf diese Getreidemischung urinieren. Wenn die Samen daraufhin nicht keimten, wurde angenommen, die Frau sei nicht schwanger. Ging der Weizen auf, bekam sie angeblich ein Mädchen, war es die Gerste, einen Jungen.

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Zwiebel oder Knoblauchzehe

Zwiebel

Quelle: sz

Aus der Antike ist ein Test überliefert, den der Gelehrte und Arzt Hippokrates beschrieb: Die Frau müsse eine Zwiebel in die Vagina einführen und dort über Nacht belassen. Wenn ihr Atem am Morgen nach Zwiebel röche, sei sie nicht schwanger. Ein Kind im Körper hätte nämlich verhindert, dass der Geruch bis nach oben durchdringen könne. Ein frischer Atem galt im Umkehrschluss also als Beleg für eine Schwangerschaft. Diese Methode wurde sogar noch im 18. Jahrhundert angewandt, zum Beispiel in Frankreich - dort allerdings mithilfe einer Knoblauchzehe, die wegen ihrer Form auch ein Symbol für den Fötus im Mutterleib war.

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Augen

Auge

Quelle: Public Domain

Jacques Guillemeau, ein französischer Arzt des 16. Jahrhundert aus Orléans, glaubte, eine Schwangerschaft an den Augen einer Frau erkennen zu können: an tiefer liegenden Augäpfeln, kleinen Pupillen, schlaffen Lidern und geschwollenen Äderchen in den Augenwinkeln.

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Hormone

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Quelle: SZ

Mit der Aufklärung nahm die Menschheit langsam Abschied von diesen doch wunderlichen Methoden. Lange Zeit mussten sich Frauen in der frühen Phase einer Schwangerschaft auf unsichere Anzeichen wie Übelkeit, Wassereinlagerungen und eine Verfärbung des Muttermunds verlassen - oder eben auf das Ausbleiben der Menstruation. Doch Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Erforschung der menschlichen Hormone Fahrt auf und bereitete damit den Weg für den heutigen immunologischen Schwangerschaftstest. Das dafür entscheidende Hormon, das humane Choriongonadotropin (hCG), wurde 1920 entdeckt. Dieses Hormon wird in der Plazenta gebildet und ist daher nur während der Schwangerschaft nachweisbar - und zwar bereits ab dem 23. Tag des Zyklus, also noch vor dem ersten Ausbleiben der Monatsblutung.

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Mäuse

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Quelle: SZ

Als die deutschen Gynäkologen Selmar Aschheim und Bernhard Zondek in den 20er-Jahren die sogenannte Aschheim-Zondek-Reaktion zum Nachweis einer Schwangerschaft entwickelten, gingen sie noch davon aus, im Harn der Frauen ein von der Hypophyse der Schwangeren gebildetes Hormon nachzuweisen. Dass es sich dabei um hCG handelte, konnte erst einige Jahre später der Gynäkologe und Endokrinologe Ernst Philipp nachweisen. Trotz dieser Fehlannahme war die Aschheim-Zondek-Reation der erste Test, mit dem eine Schwangerschaft mit 98-prozentiger Sicherheit festgestellt werden konnte. Dafür wurde weiblichen Mäusen der Urin einer Frau injiziert, nach einigen Tagen wurden die Tiere getötet und seziert. Wenn hCG im Harn vorhanden war, hatte das Hormon innerhalb dieses Zeitraums in den Geschlechtsorganen der Mäuse Veränderungen bewirkt, zum Beispiel die Reifung der Eizellen und die Vergrößerung des Uterus. Eine ähnliche Methode entwickelten die US-Forscher Maurice H. Friedman und Maxwell E. Lapham etwa ein Jahrzehnt später: Der Friedman-Test wurde an weiblichen Kaninchen durchgeführt, denen man ebenfalls Frauenurin spritzte, um dann die Reaktion ihrer Eierstöcke zu untersuchen.

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Frosch

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Quelle: SZ

In den 30er-Jahren etablierte der britische Zoologe Lancelot Hogben den Afrikanischen Krallenfrosch als lebendigen Schwangerschaftstest. Für den Hogben-Test wurde weiblichen, geschlechtsreifen Fröschen Frauenharn gespritzt. War darin hCG vorhanden, laichten die Tiere innerhalb von 18 Stunden. Der Vorteil gegenüber den Mäuse- und Kaninchen-Tests bestand darin, dass die Tiere nicht seziert werden mussten. Nach einer Ruhephase von wenigen Wochen konnten sie sogar wieder für Tests eingesetzt werden. Der Galli-Mainini-Test, eine nach dem südamerikanischen Arzt Carlos Galli Mainini benannte Weiterentwicklung des Hogben-Tests, wurde statt an weiblichen an männlichen Krallenfröschen durchgeführt, bei denen das hCG eine unter dem Mikroskop erkennbare Spermienproduktion auslöste - und das schon nach wenigen Stunden. Das Testverfahren wurde dadurch also wesentlich verkürzt. Bis zur Entwicklung der chemischen Schwangerschaftstests in den 60er-Jahren war der Froschtest weltweit anerkannt und gängig. Durchgeführt wurde er von Apothekern, die diese Frösche in Aquarien hielten. In dieser Zeit bekam der Afrikanische Krallenfrosch auch sein berühmtes Pseudonym: Apothekerfrosch.

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Antikörper

Verhütung

Quelle: sz

Der immunologische Schwangerschaftstest mithilfe von hCG-Antikörpern verdankt seine Entstehung im Grunde der Krebsforschung. Der amerikanische Arzt Rees Midgley entwickelte die Antikörper zur Bekämpfung von Tumoren der Plazenta, die das Hormon in hohem Maße produzieren. Leider blieben sie in diesem Bereich wirkungslos, sie fanden aber schließlich Anwendung in den Tests. Für die ersten immunologischen Tests, die noch keine Selbsttests waren, sondern vom Arzt durchgeführt wurden, wurde die Reaktion weiblichen Urins mit den Antikörpern beobachtet: War hCG im Harn vorhanden, kam es zu einer Verklumpung. Dadurch war das Schwangerschaftshormon generell nachweisbar, nicht aber dessen Konzentration, die sich in den ersten Wochen der Schwangerschaft laufend erhöht. 1972 entwickelten Forscher am amerikanischen National Institute of Health einen Test, mit dem auch die Konzentration von hCG festgestellt werden konnte.

(Im Bild: heute gebräuchliche Tests)

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Die ersten Tests

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Quelle: SZ

Ende der 70er-Jahre kamen schließlich die ersten Selbsttests auf den Markt. Das waren damals noch relativ komplizierte Sets, die erst nach etwa zwei Stunden ein Ergebnis brachten. 1980 folgte ein Test des britischen Unternehmens Unipath Ltd., der eine Zuverlässigkeit von 95 Prozent versprach. Auf diesem Patent beruhen alle heutigen immunologischen Schwangerschaftsselbsttests, die ständig weiterentwickelt wurden und dadurch immer sicherer geworden sind. Die Schwangerschaft selbst testen zu können, war ein wichtiger Schritt für die weibliche Emanzipation und Teil der sexuellen Revolution. Je früher eine Frau die Gewissheit hat, schwanger zu sein, desto früher kann sie sich auf die Schwangerschaft einstellen - und desto besser ist es für das Kind.

© SZ vom 06./07.02.2016/beu
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