Schwangerschaft:Fast jede fünfte Schwangere trinkt Alkohol

Alkohol in der Schwangerschaft

Die Gefahren von Alkoholkonsum während der Schwangerschaft werden noch immer unterschätzt.

  • Schon kleine Mengen Alkohol während der Schwangerschaft können dem Ungeborenen schaden. Dennoch trinken nach Daten des Robert-Koch-Instituts zufolge fast 20 Prozent der schwangeren Frauen Alkohol.
  • Nach Schätzungen werden in Deutschland jährlich 10 000 Babys mit alkoholbedingten Schädigungen (FASD) geboren.
  • Politiker von CDU und SPD sowie Betroffene Pflege- und Adoptiveltern fordern daher Warnhinweise auf Bier und Spirituosen.

"Jedes Glas schädigt"

Ein Schlückchen Sekt oder ein Glas Wein machen dem ungeborenen Baby nichts aus, denken offenbar viele Schwangere. So wissen einer Umfrage zufolge nur 44 Prozent der Deutschen, dass werdende Mütter, die Bier, Wein oder Schnaps trinken, bleibende Schäden bei ihrem Kind riskieren. Nach Daten des Robert-Koch-Instituts trinkt fast jede fünfte Frau in der Schwangerschaft Alkohol und riskiert damit, ein Kind mit bleibenden Schäden zur Welt zu bringen.

Andrea Benjamins betreut im Sozialpädiatrischen Zentrum Hannover Patienten, die im Bauch ihrer Mütter einen Vollrausch erleben mussten. Die Kinderärztin sagt: "Viele denken, ein Glas schadet nichts. Aber jedes Glas schädigt. Die Frauen, die schwer kranke Kinder bekommen, müssen nicht täglich getrunken haben. Partymachen am Wochenende reicht schon." Nach Schätzungen werden bundesweit jährlich 10 000 Babys mit alkoholbedingten Schädigungen (FASD) geboren, davon mehr als 2000 Jungen und Mädchen mit der vollen Ausprägung des Fetalen Alkoholsyndroms (FAS), einer schwerwiegenden Behinderung.

Warnhinweise für Alkoholika gefordert

Eine der häufigsten angeborenen Behinderungen wäre vermeidbar, wenn werdende Mütter abstinent blieben. Politiker von CDU und SPD haben deshalb kürzlich für Warnhinweise auf Bier und Spirituosen plädiert. Dies ist schon lange eine Forderung des Vereins FASD Deutschland, einem Zusammenschluss von mehrheitlich betroffenen Pflege- und Adoptiveltern. Der Warnhinweis müsste mindestens das halbe Etikett von Alkoholika bedecken, sagt die Vorsitzende von FASD Deutschland, Gisela Michalowski. "Die Aufklärung reicht bei weitem nicht aus."

Die Sozialpädagogin aus Lingen in Niedersachsen hat neben vier eigenen Kindern vier Adoptiv- und Pflegekinder mit FASD. Bis auf die jüngste Pflegetochter sind alle inzwischen erwachsen. Allerdings ist selbst der 30-jährige Adoptivsohn noch auf Hilfe angewiesen. "Er ist intelligent, aber scheitert im Alltag", sagt Michalowski. Kinder mit alkoholbedingten Schädigungen bringen ihre Eltern, Erzieher und Lehrer regelmäßig an deren Grenzen. Sie laufen weg, haben Wutanfälle und halten Regeln nicht ein. Das Eylarduswerk - eine Diakonische Kinder- und Jugendeinrichtung im Emsland - will im Herbst eine Wohngruppe einrichten, in der ein Teil der Plätze auf die besonderen Belange von FAS-Kindern zugeschnitten ist. Bereits im März eröffnete es eine FAS-Beratungsstelle im niedersächsischen Bad Bentheim.

Ziel sei, die Krankheit frühzeitig zu erkennen, um Hilfe, Förderung und Kontrolle zu etablieren, sagt der Therapeutische Leiter der Einrichtung, Klaus ter Horst. Es gebe bisher viel zu wenige spezialisierte Ambulanzen und Beratungsstellen. Auch in Kindergärten und Schulen sei es wichtig, die Besonderheiten von FAS und FASD zu kennen, betont ter Horst. "Die Kinder lernen in Phasen gut, aber dann ist alles wie weggeblasen. Sie haben kein Nähe- und Distanzempfinden. Sie lernen nicht aus Erfahrung. Sie können Gefahren nicht abschätzen."

Alkohol schädigt Föten irreversibel

Heilbar ist die Krankheit nicht. Das Zellgift Alkohol schädigt die Hirnentwicklung und oft auch andere Organe des Ungeborenen irreversibel. Allerdings kann die Entwicklung der betroffenen Kinder zum Beispiel durch Ergotherapie oder verhaltenstherapeutische Ansätze positiv unterstützt werden.

Andrea Benjamins warnt davor, die leiblichen Mütter an den Pranger zu stellen oder gar zu bestrafen. "Die schwer betroffenen Kinder haben häufig alkoholkranke, drogenabhängige oder psychisch kranke Mütter. Manche Frauen bemerken auch die Schwangerschaft sehr spät", sagt die Kinderärztin. Besonders fatal sei die Wirkung von Alkohol zwischen der dritten und zwölften Schwangerschaftswoche, wenn die einzelnen Organsysteme angelegt werden. Viele Frauen machten sich später Vorwürfe. Benjamins meint: "Wir müssen offen damit umgehen, es darf keine Stigmatisierung geben."

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