Schizophrenie:Exkursion zu den Grenzen des Geistes

Schizophrenie: Dieses Foto aus dem Haus der Kunst in München hat Paul van Rood selbst aufgenommen.

Dieses Foto aus dem Haus der Kunst in München hat Paul van Rood selbst aufgenommen.

(Foto: Paul van Rood)

Der 34-jährige Fotokünstler Paul van Rood hat Schizophrenie. Seit Jahren dokumentiert er in drei dicken Tagebüchern seine Krankheit.

Von Christina Berndt

Dass das, was er tat, völlig verrückt war, weiß er heute selbst. Wenn Paul van Rood in seiner Münchner Wohnung von seinem Leben erzählt, dann lächelt er oft etwas gequält. Manchmal wischt er mit der Hand vor seinem Gesicht hin und her: "Total crazy", ja, so hat der 34-jährige Fotokünstler sich schon häufig verhalten. Seit 17 Jahren hat er Schizophrenie, eine der schwersten psychiatrischen Diagnosen.

Er war schon in einem Gefängnis in New York, weil er aus einem Hochhaus Steine auf Klimaanlagen geworfen hat - in der Überzeugung, er habe den Auftrag, etwas gegen den Klimawandel tun zu müssen. Vor ein paar Jahren hat er das Haus seiner Eltern verwüstet: Ölgemälde mit Edding übermalt, den Esszimmertisch zerkratzt. Beinahe hätte er das Haus angezündet. Aber dann hat er doch nur einen Benzinkanister gekauft, einen roten, hineingepinkelt und ihn auf den Flügel im Wohnzimmer gestellt.

Drei Flüge buchte er, um seine Spuren zu verwischen

Rot ist seine Farbe. Sie bestimmt sein Leben so sehr, dass er auch seinen Künstlernamen danach gewählt hat. Stets hat er Rot als Signal verstanden, über das fremde Mächte mit ihm kommunizierten. Jemand trug eine rote Uhr? Er fand einen leuchtend roten Schnuller im Park? Klar: Agenten wollten ihm ein Zeichen geben.

Zuletzt ist er wegen solcher Zeichen nach Hongkong geflohen. In seiner Wohnung hinterließ er merkwürdige Botschaften und furchteinflößende Installationen aus CDs und zerrissenen Puppen. Aber wo er war, sagte er niemandem. München - London, München - Dubai, München - Hongkong: Drei Flüge buchte er, um seine Spuren zu verwischen. Nur durch einen glücklichen Zufall fanden seine Eltern ihn schließlich in einer Psychiatrischen Klinik in Hongkong. Er war auf der Flucht vor Spionen, die die ganze Menschheit auslöschen wollten. So groß war seine Panik, dass er dabei fast gestorben wäre.

Was Menschen mit Schizophrenie in ihren akuten Krankheitsphasen, den Psychosen, denken und tun, ist für Außenstehende nur schwer begreiflich. Doch Paul van Rood will etwas gegen die Stigmatisierung tun. Er will zeigen, wie man komplett wahnsinnige Dinge machen und zugleich planvoll handeln kann; wie man Menschen voller Überzeugung die verrücktesten Geschichten erzählt und zugleich merkt, dass sie einen verrückt finden. Und dass ein Gehirn, welches immer wieder die Grenzen der Vorstellungskraft sprengt, auch etwas Wunderbares mit sich bringt - "eine faszinierende Kreativität", wie Rood sagt.

Mit seiner Kunst hat Rood eine Möglichkeit gefunden, sich seine Krankheit zu Nutze zu machen. In seinen Bildern, die er von den unterschiedlichsten Orten der Erde über Instagram versendet, bildet er kleine Ausschnitte der Wirklichkeit ab, aus denen sich eine neue, oft überraschende Ästhetik ergibt. Rot spielt auch darin eine große Rolle: "Dieses Rot, das mich immer verfolgt hat - ich bin mit ihm Freund geworden", sagt er.

Ein Jahr hat Paul van Rood der SZ immer wieder erzählt, was während seiner Psychosen mit ihm geschieht, wie genau er denkt und fühlt. Drei dicke Tagebücher hat er erstmals für Fremde geöffnet. Vor allem Twitter-Botschaften finden sich darin - Tweets, die er sich selbst schreibt. Zu dritt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: