Psychosomatik:Leiden der Scheidungskinder

Wenn die Eltern getrennte Wege gehen, leidet der Nachwuchs. Schlafstörungen, Übelkeit und Bauchschmerzen häufen sich. Eine wichtige Rolle spielt, wie Eltern sich nach der Trennung arrangieren.

Von Werner Bartens

Wenn zwei sich streiten, leidet der Dritte. Und oft auch der Vierte oder Fünfte. So lassen sich die Folgen für Kinder und Jugendliche zusammenfassen, wenn die Eltern es nicht mehr miteinander aushalten. In Deutschland werden jedes Jahr zwischen 180 000 und 200 000 Ehen geschieden. Etwa 150 000 minderjährige Kinder sind von den Trennungen betroffen.

In der Folge haben sie häufiger emotionale Schwierigkeiten und Probleme, sich in ihrem sozialen Umfeld zurechtzufinden. Schließlich bekommen sie den Trennungsprozess und die entsprechenden Konflikte und Krisen zu Hause direkt mit. Manchmal müssen sie umziehen und werden aus ihrem Freundeskreis und der vertrauten Umgebung gerissen.

Offenbar leiden Kinder nach Trennungen auch stark unter körperlichen Beschwerden. Eine schwedische Studie im Journal of Epidemiology and Community Health (online) zeigt, dass unklare Symptome beim Nachwuchs zunehmen, wenn die Eltern auseinandergehen. Ärzte um Malin Bergström von der Universität Stockholm haben untersucht, wie die Gesundheit der Sechst- und Neuntklässler in Schweden mit ihrer Lebenssituation zusammenhängt. Daten von fast 150 000 Kindern im Alter von zwölf und 15 Jahren kamen auf diese Weise zusammen.

Schlafstörungen und Konzentrationsschwächen sind am häufigsten

Die Familiensituation wirkt sich demnach deutlich auf den Gesundheitszustand aus. 22 Prozent der Kinder, die mit nur einem Elternteil zusammenleben, berichten regelmäßig über psychosomatische Beschwerden. Unter jenen, bei denen die klassische Konstellation Vater, Mutter, Kinder den Alltag prägt, sind es hingegen nur 13 Prozent.

Am häufigsten klagen die Kinder über Schlafstörungen und Konzentrationsschwäche, Kopfweh, Bauchschmerzen, Appetitmangel, Unwohlsein und Abgeschlagenheit. Insgesamt leiden Mädchen nach Trennungen stärker, bei ihnen stehen Traurigkeit und Erschöpfung, Schlafstörungen und Kopfweh im Vordergrund. Bei den Jungs waren Schlafprobleme und Konzentrationsschwäche am häufigsten.

"Trennungen machen Angst und Wut, das kann zu Übelkeit, Schmerzen und dem gesamten Repertoire körperlicher Beschwerden führen", sagt Karl Heinz Brisch, Leiter der Psychosomatik am Haunerschen Kinderspital der Universität München. "Klein wie groß geht das so, auch wenn Jugendliche eher in der Lage sind, das abzuwehren. Normalerweise sind Eltern ja die Ansprechpartner, aber die fallen weg, weil sie selbst belastet sind." Ältere Kinder ziehen sich zurück, einige machen mehr Sport, andere sitzen ständig vor dem Computer, andere greifen zum Alkohol.

Von den Trennungskindern leiden auch jene, die beide Elternteile regelmäßig sehen. "Kinder, bei denen diese Arrangements klappen, haben zwar weniger Beschwerden als jene, die fast ausschließlich bei einem Elternteil sind", sagt Bergström. "Dennoch zeigen sie mehr Symptome als die Kinder, die mit beiden Eltern in ihrer Kernfamilie leben." Es sei gut, engen Kontakt zu beiden Eltern zu bewahren. "Doch selbst wenn die Eltern sagen, dass es bei ihnen super läuft, ist der ständige Wechsel anstrengend für die Kinder und setzt sie unter Stress", sagt Brisch. Manche von ihnen bewältigen ja fünfzigmal im Jahr einen kleinen Umzug.

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