Psychologische Tests:Die Gefahr bleibt oft unsichtbar

A French investigator walks past a Gendarmerie mobile forensic van in Seynes-les-Alpes near the crash site of a Germanwings Airbus A320

Untersuchungen nach der Katastrophe in den französischen Alpen.

(Foto: Reuters)
  • Die Lufthansa untersucht ihre Piloten jährlich auf Erkrankungen - auch psychische.
  • Solche Untersuchungen sind nicht immer zuverlässig. Kranken kann die Einsicht in die Krankheit oder die Ehrlichkeit fehlen.
  • Unter Umständen kann es hilfreicher sein, Mitarbeiter zu schulen, Anzeichen von psychischen Erkrankungen bei Kollegen zu erkennen.

Von Berit Uhlmann

Hätte die Katastrophe verhindert werden können? Die Frage quält die Hinterbliebenen des Flugzeugunglücks. Sie wird sie wohl nie mehr loslassen. Auch die Öffentlichkeit wird nun darüber diskutieren, ob trotz aller technischer Aufrüstung nicht gerade die Gesundheit der Piloten besser überwacht werden müsste. Die Frage ist nur: Wie kann das funktionieren?

Natürlich gibt es bereits medizinische Tests für Angestellte in Berufen mit hoher Verantwortung für andere Menschen. Bei der Bahn werden alle Lokführer im dreijährigen, vom Alter von 55 Jahren an im einjährigen Turnus untersucht. "Dabei prüfen die vom Eisenbahnbundesamt anerkannten Ärzte auch mögliche psychische Erkrankungen und beziehen auch Psychologen ein", hieß es aus der Firmenzentrale.

Alle Lufthansa-Piloten müssen sich jährlich einer medizinischen Untersuchung unterziehen. Speziell zertifizierte Flugmediziner achten dabei auch auf etwaige psychische und mentale Probleme, teilte das Unternehmen mit. Doch sind solche Tests zuverlässig?

"Man kann davon ausgehen, dass Flugmediziner eher selten psychiatrisch erfahrene Ärzte sind", sagt Werner Kissling, Leiter des Centrums für Disease Management an der Psychiatrischen Klinik der TU München. Ohnehin dürfte keine noch so gründliche Untersuchung jede psychische Auffälligkeit erkennen lassen.

Hunderprozentige Ehrlichkeit kann nicht vorausgesetzt werden

So gehen psychiatrische Erkrankungen bisweilen mit einer gestörten Selbstwahrnehmung einher. Der Betroffene hält sich nicht für krank und wird beim Arzt auch keine Beschwerden äußern. Erkrankte können Probleme auch bewusst verschweigen. "Gerade wenn es um die Beibehaltung eines begehrten Berufes geht, kann man sicher nicht davon ausgehen, dass die Betroffenen immer zu hundert Prozent offen und ehrlich sind", sagt Kissling. Er hält es prinzipiell für möglich, dass Kranke ihre Beschwerden in einer solchen Untersuchung erfolgreich verheimlichen, zumal auch der Datenschutz der Befragung Grenzen setzt.

Und selbst beim besten Willen zur Ehrlichkeit ist die Zuverlässigkeit solcher Untersuchungen nicht sehr hoch. Dazu treten psychische Probleme zu häufig auf. Etwa 30 Prozent aller Deutschen sind pro Jahr betroffen. Wer den Eignungstest mit Bravour besteht, kann etwas später trotzdem an einer Depression, einer Sucht oder anderen Störungen erkranken.

"Auch wenn die Tauglichkeitsüberprüfungen noch maximal intensiviert und verfeinert würden, würde es viele Piloten geben, die vor der nächsten Untersuchung eine psychische Erkrankung entwickeln und dadurch eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit der Passagiere darstellen", sagt der Psychiater.

Er hält es daher für sinnvoller, Vorgesetzte und Mitarbeiter so zu schulen, dass sie mögliche Hinweise auf Erkrankungen erkennen können. Zieht sich ein Kollege plötzlich zurück? Spricht oder isst er weniger? Klagt er vielleicht über Schlafstörungen oder bewertet Ereignisse negativer, als sie objektiv sind? All dies könnte auf eine Depression hindeuten. Kollegen, die längere Zeit mit dem möglicherweise Erkrankten zusammen sind, erkennen solche Anzeichen im Zweifelsfall eher als Ärzte bei einer Routineuntersuchung.

Dabei geht es Kissling nicht um Überwachung oder gar Denunziation, sondern darum, Kranken rechtzeitig professionelle Hilfe zukommen zu lassen. Alkoholkranke beispielsweise seien oft dankbar für den Druck von Chef und Kollegen, hat der Mediziner beobachtet. Die Aufmerksamkeit für die Mitarbeiter nützt zudem den Unternehmen generell: Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen haben in den vergangenen 15 Jahren um 165 Prozent zugenommen. Und in besonders sensiblen Bereichen wie der Luftfahrtbranche könnte der geschulte Blick der Kollegen möglicherweise sogar Risiken für die Passagiere reduzieren.

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