Placeboforschung bei Migräne:Hauptsache eine Tablette

Eine Pille hilft offenbar immer: Selbst wenn Patienten wissen, dass kein Wirkstoff enthalten ist, fühlen sie sich allein durch das Ritual des Tablettenschluckens besser.

Auch wirkstofflose Tabletten können Migräne-Patienten helfen. Das gilt einer Studie zufolge sogar dann, wenn die Behandelten wissen, dass sie Placebos nehmen. Allerdings erreichte ein Placebo im Durchschnitt nicht die Wirkung einer echten Tablette.

Wissenschaftler der medizinischen Fakultät der Harvard-Universität in Boston behandelten 66 Menschen bei insgesamt 459 Migräne-Anfällen entweder mit dem Wirkstoff Rizatriptan, mit einem Placebo oder gar nicht, wie sie im Fachmagazin Science Translational Medicine berichten.

Erwartungsgemäß wirkten die Placebo-Tabletten bei Patienten, die der Meinung waren, sie nähmen tatsächlich Medizin ein. Doch auch Menschen, die wissentlich wirkstofflose Tabletten schluckten, fühlten sich anschließend besser, als wenn sie gar nicht behandelt wurden.

Die Wissenschaftler um die Neurologin Slavenka Kam-Hansen vermuten deshalb, dass nicht nur die Erwartung der Patienten Migränebeschwerden lindern kann, sondern auch das Ritual des Pillenschluckens: "Anders als die klassische Weisheit, dass Patienten auf Placebos ansprechen, weil sie denken, dass sie ein wirksames Medikament bekommen, stützen unsere Ergebnisse die Idee, dass die offene Gabe von Placebos bei der Behandlung hilft."

In der Vergangenheit wurden ähnliche Wirkungen bereits beim Reizdarmsyndrom und bei Depressionen beobachtet. Ulrike Bingel, die die Schmerzambulanz der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen leitet, kommentiert die Ergebnisse so: Die Wirkung der wissentlich eingenommenen Placebos könne Folge der Erfahrung sein, dass Tabletten normalerweise Schmerzen lindern. "Das ist ein gelernter, unwillkürlicher, reflektorischer Vorgang", sagt die Medizinerin.

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