Pflege:Partner in Not, Patient in Not

Notaufnahme Marienkrankenhaus

Patienten warten in der Notaufnahme des Hamburger Marienkrankenhaus.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Eine Studie zeigt: Patienten, die von einem erschöpften oder traurigen Ehepartner gepflegt wurden, verursachen höhere Versorgungskosten als jene Patienten, die von einem fitten und glücklichen Ehepartner betreut wurden.
  • Auch wurden diese Menschen öfter in einer Notaufnahme behandelt.
  • Die Autoren der Studie fordern, Angehörige von Pflegepatienten verstärkt in den Blick zu nehmen.

Von Felix Hütten

Wenn hochbetagte Menschen ihre Partner in eine Notaufnahme bringen, ist für Ärzte und Pfleger oftmals nicht klar, wer von den beiden eigentlich dringender Hilfe braucht. Nicht selten leiden Angehörige, die einen dementen oder bettlägerigen Partner versorgen, selbst an Beschwerden; sie sind überfordert, übermüdet, überarbeitet.

Es ist ein Phänomen, das weltweit regelmäßig im Alltag von Notaufnahmen auftritt - wissenschaftlich bislang aber wenig untersucht wurde. Ein Team um die Gesundheitsforscherin Claire Ankuda von der University of Michigan zeigt in einer aktuellen Studie, veröffentlicht im Journal of the American Geriatrics Society, wie wichtig es für Ärzte in der Notaufnahme sein kann, die Angehörigen pflegebedürftiger Menschen als potenzielle Patienten in den Blick zu nehmen. Die Wissenschaftler untersuchten mehr als 3000 Menschen über der Altersgrenze von 65 Jahren, die ihre Partner bei der Körperpflege, beim Anziehen und der Essensversorgung unterstützten.

"Angehörige in Not besser identifizieren und unterstützen"

Analysiert wurden Daten wie die anfallenden Krankenhauskosten und die Zahl der Besuche in einer Notaufnahme. Parallel prüften die Wissenschaftler das Wohlbefinden der pflegenden Lebenspartner. Erhoben wurden Daten zu Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und dem gesundheitlichen Gesamtzustand.

Die Auswertung ergab, dass Patienten, die von einem erschöpften oder betrübten Partner gepflegt wurden, höhere Versorgungskosten verursachen als Patienten in der Obhut eines fitten und glücklichen Partners. So fanden sich Patienten mit angeschlagenen Partnern in einem Zeitraum von sechs Monaten etwa 23 Prozent häufiger in einer Notaufnahme ein. Auch waren die Behandlungskosten von Patienten, die von erschöpften Angehörigen gepflegt wurden, um knapp 2000 Dollar höher. "Unsere Daten legen nahe, dass wir Angehörige in Not besser identifizieren und unterstützen müssen", sagt Deborah Levine, Mitautorin der Studie.

Letztlich zielt die Arbeit auf die Frage ab, wie man mit pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen in Zukunft umgehen will. Schon heute sind in Deutschland etwa 2,5 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen. Schätzungsweise die Hälfte von ihnen wird von Angehörigen zu Hause versorgt; nicht selten von einem ebenfalls angeschlagenen Partner.

Pflegende Partner sind ebenso ein verletzlicher Teil der Gesellschaft

Ein Problem, das auch die Notfallmedizin hierzulande beschäftigt, sagt Christoph Dodt, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin. Deshalb sei ein regelmäßiger Blick in den Wartebereich der Notaufnahme durchaus sinnvoll, um mögliche weitere Patienten unter den Angehörigen auszumachen. "Gerade bei hochbetagten Menschen bestehe oftmals ein instabiles Gleichgewicht zwischen Pflegendem und Pflegebedürftigen", sagt Dodt.

Die Autoren der Studie fordern, dieses instabile Gleichgewicht rechtzeitig zu erkennen: So sei bekannt, dass die tägliche Pflegearbeit, insbesondere ohne Anleitung, Bezahlung und Wertschätzung, die Gesundheit des Pflegenden bis hin zur Depression stark beeinträchtigen könne. Ebenso möglich ist der umgekehrte Effekt: Ein schlechter Gesundheitszustand des Pflegenden könnte die Situation des Patienten verschlimmern. Deshalb müsse die Notfallmedizin angeschlagene Angehörige in Zukunft viel stärker in den Blick nehmen. Häufige Besuche in der Notaufnahme und erhöhte Behandlungskosten könnten ein versteckter Hinweis auf Angehörige in Not sein. Pflegende Partner seien, schreiben sie, ebenso ein verletzlicher Teil der Gesellschaft.

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