Pestizide:Glyphosat: Sturm im Bierglas

Bier-Ausstellung im Technoseum Mannheim

Der Unkrautvernichter Glyphosat wurde in mehreren Biersorten gefunden, allerdings in sehr kleinen Mengen.

(Foto: dpa)

Ist es nun skandalös, dass das Pestizid im Bier gefunden wurde? Nein. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass sich mit modernen Analysemethoden fast alles überall nachweisen lässt.

Kommentar von Kai Kupferschmidt

Jetzt ist Monsanto zu weit gegangen. Wenn der böse Agro-Riese anfängt, das Bier zu vergiften, dann wird der Deutsche zum Wutbürger. So oder so ähnlich dürfte sich das Umweltinstitut München das erhofft haben. Also haben die Aktivisten des Öko-Vereins ein paar Flaschen Bier im Supermarkt besorgt, auf Rückstände des Pestizids Glyphosat untersuchen lassen (von wem, ist geheim), das Ganze dann als "Studie" deklariert und pünktlich zu einer Bundestagsabstimmung veröffentlicht. Und schon schwappt eine Erregungswelle durchs Land.

Es ist ein Sturm im Bierglas. Zum einen sagt das Experiment schon aus statistischen Gründen nichts aus: Das Institut hat nur eine einzige Flasche pro Marke getestet. Ob eine Sorte grundsätzlich mehr Glyphosat enthält als eine andere, lässt sich so unmöglich sagen. Vor allem aber sind die ermittelten Mengen ungefährlich. Sie betragen weniger als ein Tausendstel der noch als unbedenklich geltenden Menge. All das haben die Münchner Umweltschützer unterschlagen.

Forscher können heute ein Stück Würfelzucker im Bodensee nachweisen

Aber ist es nicht skandalös, dass überhaupt Pestizid in Bier gefunden wurde? Nein. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass sich mit modernen Analysemethoden fast jede Substanz fast überall nachweisen lässt. In den vergangenen 20 Jahren sind die meisten Messverfahren um den Faktor eine Million verbessert worden. Forscher können heute ein Stück Würfelzucker nachweisen, das im Bodensee aufgelöst wurde. Raucht ein Bauer im Stall, findet sich Nikotin im Hühnerei. Im Trinkwasser gibt es Chrom, Quecksilber und Uran, Antibiotika und Pflanzenschutzmittel - aber eben in minimalen, ungefährlichen Mengen. Der Satz "Gift X wurde in Lebensmittel Y" gefunden ist deshalb nicht notwendigerweise eine Nachricht wert.

Entscheidend ist, wie viel von einer Substanz gefunden wird - erst die Dosis macht das Gift. Darum werden Grenzwerte festgelegt. Die Trinkwasserverordnung hat einst einen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm Pestizid pro Liter festgelegt. Nicht, weil es ab dieser Menge gefährlich wird, sondern weil man das gerade noch nachweisen konnte. Man konnte sich der Illusion hingeben, dass alles darunter schlicht nicht existierte. Heute kann man das nicht mehr glauben.

Die meisten Menschen wissen heute, dass sie ständig von elektromagnetischen Strahlen, Radioaktivität oder Neutrinos durchdrungen werden- ohne in Panik zu geraten. Mit chemischen Substanzen sollte man ähnlich gelassen umgehen. Und übrigens: Wer sich um seine Gesundheit sorgt, sollte dennoch Bier vermeiden. Das enthält nämlich große Mengen einer anderen giftigen Substanz, die definitiv Krebs verursacht: Alkohol.

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