Organstransplantation:Strafanzeige gegen Organspende-Funktionär

Wurde bei einem Organspender der Hirntod nicht so gründlich untersucht, wie es vorgeschrieben ist? Im Streit um den Fall hat die "taz" nun Strafanzeige gegen den Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation gestellt.

Christina Berndt

Seit Monaten kämpft Günter Kirste, Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), gegen Presseberichte, die seine Arbeit und die seiner Organisation kritisieren. Die krisengeschüttelte DSO koordiniert alle Organspenden in Deutschland. In diesen Tagen wächst sich das angespannte Verhältnis des DSO-Vorstands mit der Presse zu einer handfesten Auseinandersetzung aus.

Soeben hat die Berliner Tageszeitung taz bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt Strafanzeige gegen Kirste und einen seiner Mitarbeiter "wegen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt" gestellt. Mit einer eidesstattlichen Versicherung hatte Kirste im vergangenen Juni unter Androhung von bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld eine einstweilige Verfügung gegen die taz erwirkt.

In der vergangenen Woche hat die Bundesärztekammer einen bislang geheim gehaltenen Bericht an die Presse gegeben; die darin festgestellten Tatsachen werfen kein gutes Licht auf die Behauptungen Kirstes. In der Auseinandersetzung zwischen ihm und der taz geht es um einen Zeitungsbeitrag über eine Organspende, die im Dezember 2005 in Düsseldorf stattgefunden hat.

Wie zuvor auch die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte, war dort der Hirntod des Spenders vor der Entnahme seiner Organe womöglich nicht so gründlich untersucht worden, wie es das Transplantationsgesetz mit guten Gründen verlangt. Welcher Organspender möchte schon, dass ihm Herz und Nieren bei lebendigem Leib entnommen werden? Mindestens zwei Ärzte müssen daher zu jeweils zwei verschiedenen Zeitpunkten den Hirntod feststellen, sofern sie keine technischen Hilfsmittel wie ein EEG verwenden.

Als jedoch dem Spender in Düsseldorf die Organe entnommen wurden, lagen nicht alle Protokolle über die erforderlichen vier Hirntoduntersuchungen vor. Weil eine Krankenschwester den Fall anzeigte, befasste sich die für die Prüfung solcher Vorgänge zuständige Überwachungskommission der Bundesärztekammer mit der Sache. Schließlich ist die Organentnahme ohne richtlinienkonforme Hirntodfeststellung strafbar.

Der nun bekannt gewordene Bericht der Überwachungskommission vom Februar 2010 könnte die eidesstattliche Versicherung des DSO-Vorstandes in Frage stellen. Kirste hatte behauptet, dass "alle vier Untersuchungen stattgefunden haben". Eines der vier Protokolle sei "lediglich bei der Entnahme selbst nicht mehr auffindbar" gewesen, "vermutlich weil es in eine falsche Akte abgelegt worden war."

Dies bezweifelt die Überwachungskommission: Das fehlende Protokoll tauchte auch nach der Organspende nicht mehr auf. "Die Bemühungen der Kommission um das fehlende Protokoll blieben erfolglos", schreiben die Prüfer in ihrem Bericht. "Seine Existenz ist unwahrscheinlich in dem Sinn, dass mehr und Wichtigeres dagegen als dafür spricht."

So habe sich nicht einmal der Name des Arztes eruieren lassen, der die fehlende Untersuchung durchgeführt haben soll. Auch wurde nie ein Arzt für die Untersuchung honoriert. Die Kommission bemängelt "die Erinnerungsschwierigkeiten" von DSO-Mitarbeitern, die ihr angesichts der Tatsache, dass ihnen "die Brisanz der Sache bewusst" gewesen sein muss, "problematisch erscheinen".

DSO-Vorstand Kirste widerspricht

DSO-Vorstand Kirste ließ am Donnerstag auf Anfrage über seine Anwälte mitteilen, die Angaben in seiner eidesstattlichen Versicherung seien richtig. Dass alle vier Untersuchungen stattgefunden haben, werde durch die Aussage eines Mitarbeiters, alle vier Protokolle gesehen zu haben, bestätigt.

Irritierend wirkt indes, dass der DSO-Vorstand in der eidesstattlichen Versicherung explizit einen Totenschein im Zusammenhang mit der Organentnahme erwähnt: "Es lag sogar ein Totenschein vor, so dass der Tod des Spenders zweifelsfrei feststand und auch alle Voraussetzungen für eine Organentnahme vorlagen", versicherte er.

Die Überwachungskommission betont hingegen, dass "die amtliche Todesbescheinigung die Hirntodprotokollierung nicht ohne weiteres ersetzen und nicht für sich allein eine Organentnahme zulässig machen" kann. Noch dazu ist der Totenschein in dem Düsseldorfer Fall fragwürdig. Denn die Ärztin, die ihn ausstellte, berief sich dabei einerseits auf die Feststellung des Hirntods durch andere. Andererseits will sie den Totenschein "nach eigenen Feststellungen" ausgestellt haben. Beides ist schwerlich miteinander vereinbar.

"Es gibt meines Wissens keine ausdrückliche Regelung, dass bei der Entnahme beide bzw. alle vier Protokolle vorliegen müssen", versicherte Kirste an Eides statt. Und auch seine Anwälte argumentieren nun: Diese müssten lediglich "angefertigt worden sein", aber laut Gesetz nicht "bei der Entnahme vorliegen".

Immerhin: Trotz der rechtlichen Unstimmigkeiten scheint es medizinisch gesehen am Hirntod des Organspenders von Düsseldorf keine Zweifel zu geben. Der Spender habe, wie sich der Untersuchungskommission zufolge bei der Leichenschau herausstellte, eine so massive Hirnblutung gehabt, "dass das Gehirn zur Zeit der Organ-Entnahme abgestorben war und dass er demnach tot gewesen ist."

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