Organspende-Skandal:Münchner Klinik unter Manipulations-Verdacht

Im Organspende-Skandal richtet sich nun auch ein Verdacht gegen ein Münchner Krankenhaus. Bei neun Leber-Transplantationen sollen im Klinikum rechts der Isar falsche Patientendaten angegeben worden sein.

Christina Berndt

Auch am Münchner Klinikum rechts der Isar hat es Unregelmäßigkeiten bei Organtransplantationen gegeben. Diese seien bei Routinekontrollen aufgefallen, teilten die Prüfungs- und Überwachungskommissionen der Bundesärztekammer (BÄK) am Mittwochabend mit. Nun solle eine "Sonderprüfung" klären, ob an dem Universitätsklinikum nur Fehler gemacht oder aktiv Daten manipuliert wurden.

Insgesamt geht es um neun Transplantationen aus den Jahren 2010 und 2011. Wie die Süddeutsche Zeitung aus informierten Kreisen erfuhr, wurde in mindestens zwei Fällen fälschlicherweise angegeben, die Patienten seien dialysepflichtig. Lebern werden nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit vergeben. Wenn bei einem Leberpatienten die Nieren versagen und Dialysen nötig machen, steigen seine Chancen auf ein Organ. In mindestens zwei weiteren Fällen gibt es Auffälligkeiten bei den Gerinnungswerten, die auch die Dringlichkeit ausdrücken. Die protokollierten Werte seien "extrem erklärungsbedürftig", sagte ein Insider der SZ. Und bei zwei Krebspatienten ist fraglich, ob sie überhaupt eine Leber hätten bekommen dürfen: Bei zu weit fortgeschrittener Erkrankung erhalten Kranke wegen schlechter Erfolgsaussicht kein Organ mehr.

Die Unregelmäßigkeiten erinnern an den Organskandal von Göttingen und Regensburg. Dort ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwei Ärzte, die in mehr als 40 Fällen Akten von Patienten manipuliert haben sollen, um Organe für sie zu erhalten.

Am Klinikum rechts der Isar geht man nicht von vorsätzlicher Fälschung aus. Die Unregelmäßigkeiten seien bereits im August bei einer internen Überprüfung aufgefallen, sagte Direktor Reiner Gradinger. Das Klinikum habe daraufhin von sich aus BÄK und Staatsanwaltschaft informiert.

BÄK-Präsident Frank-Ulrich Montgomery verwies dagegen auf die Schlagkraft der BÄK-Kommissionen, die die Unregelmäßigkeiten entdeckt hätten, während die bayerische Staatsregierung vor kurzem noch die bayrischen Programme als sauber vermeldet habe. Im Bayrischen Rundfunk verglich Montgomery die Münchner Situation mit Göttingen und Regensburg. Die Münchner Staatsanwaltschaft erklärte, sie könne derzeit "nicht bestätigen", dass diese vergleichbar seien.

Die fraglichen Transplantationen fallen in die Zeit, in der der Chirurg Peter B. das Leberprogramm am Klinikum rechts der Isar leitete. Die Abteilung stand unter Druck, weil die erforderliche Mindestmenge von 20 verpflanzten Lebern nicht erfüllt wurde. B. gelang es, die Zahl der Transplantationen auf etwa 40 pro Jahr zu steigern. Der Chirurg, der inzwischen Chefarzt an einem kleineren Haus in Süddeutschland ist, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Der Klinikleitung rechts der Isar sind die Vorwürfe seit längerem bekannt. Es hatte anonyme Briefe gegeben, auch äußerten Mitarbeiter Kritik. Direktor Gradinger hält diese jedoch für haltlos. Er erstattete im August Anzeige gegen den unbekannten Briefeschreiber wegen übler Nachrede.

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