Organspende-Skandal:Prüfung auf Herz und Niere

Organspende-Skandal

Das Universitätsklinikum Leipzig hat Manipulationen bei Lebertransplantationen eingeräumt.

(Foto: dpa)

Die Prüfer kommen regelmäßig, doch die Transplantationskliniken wissen nicht, wann. Mit solchen Maßnahmen will die Bundesärztekammer das Vertrauen in das System wiederherstellen. Zehn Zentren für Lebertransplantationen haben die Kontrolleure bereits besucht.

Von Christina Berndt und Nina von Hardenberg

Zufrieden hatte der Bundestag Ende Mai noch die Novelle des Transplantationsgesetzes beschlossen. Rufe nach mehr Kontrolle und Transparenz verhallten ungehört. Doch dann kamen die Manipulationen bei Lebertransplantationen in Göttingen an den Tag - und plötzlich entschloss sich Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) gemeinsam mit Vertretern von Krankenkassen, Kliniken und Ärzteschaft doch noch zu weiteren Maßnahmen.

Seitdem sendet die bei der Bundesärztekammer angesiedelte Prüfungs- und Überwachungskommission für die Transplantationsmedizin regelmäßig Kontrolleure in die Kliniken. Die Kliniken wissen nicht genau, wann die Prüfer kommen. Doch sicher ist, dass sie kommen. Jedes der 47 Transplantationszentren in Deutschland wird besucht. "Wir schauen sie uns alle an", verspricht Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery. Vor dem Bekanntwerden der Manipulationen in Göttingen war die Prüfungs- und Überwachungskommission nur tätig geworden, wenn es einen konkreten Verdacht gab.

"Die traurige Botschaft von Leipzig"

Mit den 25 Zentren, die Lebertransplantationen vornehmen, haben die Kontrolleure angefangen - zehn von ihnen haben sie bereits besucht. Im Fall des Münchner Klinikums rechts der Isar sind sie allerdings noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen. Nach den Leber- sollen dann die Herz- und Nierentransplantationen folgen, so Montgomery. Allerdings sei die Organverteilung dort nicht so manipulationsanfällig wie bei der Leber.

"Die traurige Botschaft von Leipzig ist, dass offenbar doch mehr Zentren manipuliert haben, als wir erwartet haben", so Montgomery. Man müsse sich deshalb eventuell noch auf weitere Fälle einstellen. Die gute Nachricht aber sei, dass die Kontrollmechanismen funktionierten. Erst durch die Arbeit der Prüfungskommission sei das Klinikum Leipzig auf die Missstände aufmerksam geworden. Positiv sei auch, dass die Manipulationen 2012 offenbar schlagartig aufgehört hätten. Das deute darauf hin, dass die Ärzte das Risiko, entdeckt zu werden, nach dem Skandal möglicherweise höher einschätzten.

Erschüttertes Vertrauen

Die unangekündigten Kontrollen sind nur eine von vielen Neuerungen, mit denen Manipulationen bei der Organvergabe künftig unterbunden werden sollen. So wurden auch die Regeln für die Meldung von Patienten an Eurotransplant verschärft. Die Stiftung Eurotransplant im niederländischen Leiden verteilt die ihr gemeldeten Spenderorgane nach den Kriterien Dringlichkeit und Erfolgsaussicht an die Empfänger. Braucht ein Patient eine Niere oder ein Herz, so entscheiden künftig drei Ärzte gemeinsam über die Aufnahme auf die Warteliste, unter ihnen ein Mediziner, der nicht direkt etwas mit den Transplantationen zu tun hat.

Auch Eurotransplant hat auf die Manipulationen reagiert. Nun reicht nicht mehr nur die Auskunft, ob ein Patient eine Dialyse braucht - auch die Protokolle über die Behandlung müssen eingereicht werden. Um schneller an ein Organ für ihre Patienten zu kommen, hatten Ärzte ihre Patienten kränker aussehen lassen, als sie waren.

Als möglicher Grund für die Datenfälschungen gelten auch falsche Anreize in den Verträgen von Transplantationsmedizinern. So erhielt der beschuldigte Oberarzt in Göttingen Bonuszahlungen, wenn er besonders viele Lebern transplantierte. Solche Sondervereinbarungen kritisiert die Ärzteschaft seit Langem. Inzwischen lenkte auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft ein und sprach sich dagegen aus, Boni in der Transplantationsmedizin an die Zahl von Operationen zu binden.

Viele fordern inzwischen staatliche Kontrollen über die Transplantationsmedizin

Ungeachtet all dieser Bemühungen ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende offenbar nachhaltig erschüttert. So wurden nach Informationen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) im Oktober 2012 nur 60 statt sonst durchschnittlich etwa 100 Organe gespendet. Im November waren es 80. Zahlen für Dezember liegen noch nicht vor. Die DSO betont, der Skandal betreffe nur die gerechte Verteilung der Spenden. Trotzdem rette jede Spende Leben.

"Man kann nur mit maximaler Transparenz und besseren Kontrollen wieder Vertrauen in das System Organspende schaffen", sagte Ärztekammerpräsident Montgomery. Das sehen auch zahlreiche Politiker so. Allerdings fordern viele inzwischen staatliche Kontrollen über die Transplantationsmedizin. "Richtlinienkompetenz, Koordination und Überwachung gehören in öffentliche Hände", sagte Kathrin Vogler (Die Linke). "Zentrale Entscheidungen zur Organspende dürfen nicht länger an eine private Stiftung, die DSO, und an einen nicht eingetragenen Verein wie die Bundesärztekammer abgetreten werden." Auch der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johannes Singhammer (CSU), forderte, der Staat solle stärker Einfluss nehmen.

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