OECD-Studie zur Gesundheit:Schlechte Noten für Deutschland in der Vorsorge

Bundesweite Herzwochen haben begonnen

Besucher in einem begehbaren Herz bei einer Ausstellung.

(Foto: dpa)
  • In Deutschland sterben mehr Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen als in anderen OECD-Ländern.
  • Allerdings sterben sie an diesen Leiden in einem durchschnittlich höheren Alter als im OECD-Vergleich.
  • Die OECD empfiehlt Deutschland, elektronische Krankenakten einzuführen, die systematisch nach der besten Behandlungspraxis ausgewertet werden können. Dies könnte über die Gesundheitskarte erfolgen, die jedoch von Gegnern aus der Ärzteschaft und Datenschützern bekämpft wird.
  • Die deutsche Regierung solle zudem mehr für die Vorsorge tun und die Menschen besser und früher über gesunde Lebensführung aufklären.

Von Guido Bohsem, Berlin

Die Deutschen sterben häufiger an einem Herz-Kreislauf-Versagen als die Einwohner anderer Mitgliedsstaaten in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Das geht aus einer großen Vergleichsstudie hervor, die die OECD am Mittwoch veröffentlichte. Pro Jahr erleiden auf 100 000 Einwohner 310 etwa einen tödlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Der OECD-Durchschnitt liegt hingegen bei 299 Toten.

Was sich zunächst erschreckend anhört, muss die Bundesbürger in Wirklichkeit nicht allzusehr beunruhigen. Nach den Angaben der OECD-Wissenschaftler sterben die Deutschen an diesen Leiden offenbar in einem deutlich höheren Alter als die Menschen im Durchschnitt der anderen Länder. Die Zahl der potenziell durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKL-Erkrankungen) verlorenen Lebensjahre liegt nämlich unter dem OECD-Durchschnitt und zwar um 16 Prozent. Während hierzulande also die Zahl bei 490 lag, betrug sie in den anderen Ländern durchschnittlich 581 auf 100 000 Einwohner.

Wie in allen anderen Ländern auch ist in Deutschland die Sterblichkeit durch HKL-Erkrankungen in den vergangenen fünfzig Jahren deutlich gesunken und zwar um etwa 60 Prozent. Wissenschaftler führen das im Allgemeinen auf bessere medizinische Behandlungsmethoden, wirksamere Medikamente zum Beispiel gegen hohen Blutdruck und gesündere Lebensführung zurück.

In Vorbeugung und Lebensführung verbesserungswürdig

Doch ausgerechnet den letzten Aspekt halten die OECD-Wissenschaftler in Deutschland noch für verbesserungsfähig. Was die Vorbeugung und die Lebensführung angeht, schneide Deutschland schlechter ab als der Durchschnitt der anderen Länder. So habe der Anteil der rauchenden Erwachsenen in Deutschland 2011 bei 21,9 Prozent gelegen, während im OECD-Schnitt 20,9 Prozent regelmäßig zur Kippe griffen. Der Anteil der jugendlichen Raucher sei mit 22,4 Prozent ebenfalls zu hoch, liege er doch im Schnitt der anderen Länder bei etwa 19,5 Prozent.

Jedoch hätten sich beide Werte bis 2013 deutlich positiver entwickelt. Auch seien in der Bundesrepublik mehr Menschen übergewichtig (36,7 Prozent zu 34,6 Prozent). Die Zahl der adipösen (fettsüchtigen) Menschen lag 2011 jedoch deutlich unter dem Schnitt (14,7 Prozent zu 18 Prozent im Jahr 2011). Jedoch sei sie 2013 auf 15,7 Prozent angestiegen. Zudem gebe es in Deutschland mehr Menschen, die an einem hohem Blutdruck oder zu hohen Cholesterin-Werten litten.

Etwa 3,4 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben wurden in Deutschland für Prävention ausgegeben. Das ist deutlich mehr als die anderen Länder im Schnitt zur Verfügung stellten. Der Wert betrug dort 2,9 Prozent. Was die Bereitstellung von Behandlungsmöglichkeiten von akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrifft, sei Deutschland hervorragend ausgestattet. Die Zahl der Herzzentren sei die höchste unter den OECD-Ländern. Auf eine Million Einwohner kämen 6,4 Zentren. Die Zahl der Neurologen und Kardiologen entspreche genau dem OECD-Schnitt.

Die Organisation empfiehlt der deutschen Regierung jedoch dringend, mehr für die Vorsorge zu tun. Insbesondere die sogenannte Primär-Prävention, das heißt die Aufklärung von noch gesunden Menschen über gesundheitliche Risiken ihres Verhaltens könne sich verbessern. Zudem seien frühere Diagnose-Stellungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes notwendig. Dänemark zum Beispiel habe mit seinem elektronischen Krankenakten-System deutlich bessere Ergebnisse vorzuweisen. Dort sei es möglich, Daten über die Diagnosen, die Behandlung, die verschriebenen Medikamente und Laborergebnisse zu speichern, und das System könne daraus automatisch Informationen über die beste Behandlungspraxis errechnen. Gleichzeitig weise es auf Patienten hin, die nicht optimal behandelt würden.

Auch hierzulande wird seit mehr als einer Dekade versucht, eine Verbesserung im Gesundheitswesen einzuführen. Vergeblich. Solche Ansätze, die zum Beispiel die elektronische Gesundheitskarte bieten könnte, werden in Deutschland massiv bekämpft, vor allem von Gegnern aus der Ärzteschaft. Vor mehr als zehn Jahren ist die elektronische Gesundheitskarte vom Bundestag beschlossen worden. Allerdings kann sie wegen technischer Schwierigkeiten und vor allem wegen des Widerstandes der Akteure im Gesundheitssystem derzeit nicht viel mehr als die Adresse des Versicherten und seine Krankenkassen-Nummer speichern.

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