Notfälle:Frau trägt zehn Jahre lang Teile einer Zahnspange im Bauch

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In einer Notfall-Operation (nicht im Bild) musste der Draht aus dem Bauch der Frau entfernt werden. (Foto: REUTERS)

Von Münzen bis zum Schaschlikspieß: Menschen verschlucken alles Mögliche. Doch der Fall einer 30-Jährigen, die nicht bemerkte, wie der Draht einer Spange in ihren Darm wanderte, dürfte einmalig sein.

Von Werner Bartens

Der Bauch der 30-Jährigen war angespannt, als sie in die Notaufnahme kam. Sie klagte über heftige Schmerzen und konnte kaum aufrecht gehen. Die Ärzte vermuteten zunächst eine Gallenkolik, obwohl sich im Ultraschall keine Hinweise darauf fanden. Auch die Blut- und Leberwerte der jungen Frau waren normal. Eine Aufnahme vom kompletten Bauchraum wurde nicht veranlasst. Zwei Tage später hatten die Beschwerden immer noch nicht nachgelassen, und es musste etwas unternommen werden. Die dann angefertigte Computertomografie ergab, warum die 30-Jährige solche Schmerzen hatte: Das CT zeigte einen dünnen Metalldraht in der Mitte ihrer Dünndarmschlingen.

Münzen werden von Kindern mit Abstand am häufigsten verschluckt

Die Notfall-Operation förderte einen sieben Zentimeter langen Draht zutage, wie er für Zahnklammern benutzt wird. Das spitze Metall hatte eine Dünndarmschlinge durchbohrt und einen anderen Darmabschnitt aufgespießt. Aus diesem Grund konnte sich der Darm nicht mehr frei bewegen, und es kam zu einer Darmverschlingung rund um den Draht, der die Achse für das Konvolut bildete. Eine solche Verdrehung wird in der Fachsprache als Volvulus bezeichnet und ist so bedrohlich, weil die Blutzufuhr zum Darm abgeklemmt oder ganz unterdrückt wird und das Verdauungsorgan dann abzusterben droht. Im aktuellen Fall lösten die Chirurgen aus dem Krankenhaus im westaustralischen Nedlands einige Verwachsungen im Bauchraum und konnten die Frau retten, ohne dass ein Stück Darm entfernt werden musste.

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Was die Ärzte um Talia Shepherd im Fachmagazin BMJ Case Reports allerdings nicht beschrieben haben, ist der kognitive Zustand und die Gedächtniskraft ihrer Patientin. Die 30-Jährige hatte nämlich zuletzt vor mehr als zehn Jahren eine Zahnspange getragen. Sie konnte sich aber nicht daran erinnern, einen Draht verschluckt und die Spange oder Teile davon vermisst zu haben. Ein Jahrzehnt lang hatte ihr der Draht im Bauch offenbar keine Schwierigkeiten bereitet - bis er dann doch irgendwann die Gedärme aufspießte.

Verschluckte Fremdkörper verlassen den Körper zumeist auf natürlichem Wege wieder. Sind sie klein und rund, droht keine Gefahr. Bei größeren Objekten ist die erste Hürde der Rachenraum. Gelangen sie dort hindurch, ohne sich festzusetzen, stellt erst wieder die Ileozäkalklappe, eine Einstülpung am Übergang von Dünn- zu Dickdarm, das nächste Hindernis dar. Dass sich der Klammerdraht vorher bemerkbar gemacht hat, liegt wahrscheinlich an seiner Länge und den Spitzen, mit denen er das Gewebe durchdringen konnte.

Es ist zwar selten, dass ein - noch dazu so gefährlicher - Gegenstand zehn Jahre unbemerkt im Körper verweilt und dann Beschwerden verursacht. Von Einzelfällen ähnlicher Art berichten Ärzte aber gelegentlich, beispielsweise von dem Gastwirt, der Jahre zuvor einen Schaschlik-Spieß verschluckt hatte. Das spitze Objekt blieb zunächst unbemerkt und nahm verschiedene Positionen im Bauchraum ein, bis es die zur Milz führende Arterie durchbohrte und zu einer tödlichen Blutung führte.

Die von Kindern mit Abstand am häufigsten verschluckten Gegenstände sind Münzen. Sie machen 80 Prozent aller Fremdkörper im Magendarmtrakt aus. Euro-Skeptiker können beruhigt sein, denn schon kurz nach Einführung der neuen Währung zeigten Kinderärzte aus München, dass sich aus verschluckten Euro- und Centmünzen - anders als bei US-Münzen - im Magen keine bedrohlichen Mengen an Eisen oder anderen Schadstoffen lösen und das Kleingeld auch keine scharfen Kanten bekommt, die Magen oder Darm perforieren könnten. Während US-Geld deshalb nach ein bis zwei Tagen entfernt werden sollte, sofern es nicht Richtung natürlichem Ausgang strebt, bleibt bei Euro und Cent bis zu einer Woche Zeit.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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